DOMRADIO.DE: Von Friedrich Merz ist bekannt, dass er sich in seiner Jugend in der katholischen Jungen Gemeinde engagiert hat. Er war Messdiener und ist auch seit seiner Studienzeit Mitglied in einer katholischen Studentenverbindung. Wie sehr beeinflusst denn diese Prägung seine Politik?
Dr. Antonius Hamers (Leiter des Katholischen Büros in Düsseldorf, Priester, Domkapitular und stellvertretender Generalvikar im Bistum Münster): Friedrich Merz ist offensichtlich katholisch sozialisiert worden und er weist auch immer wieder darauf hin, dass er katholisch ist. Wie weit er praktizierender Katholik ist, kann ich Ihnen nicht sagen. Das weiß ich nicht.
Ich habe ihn zuletzt bei einer Gedenkveranstaltung für Heinrich Lübke, den früheren Bundespräsidenten, im Sauerland, in der Nähe von Sundern getroffen. Da habe ich die Messe gefeiert und gepredigt. Anschließend war ein Festakt. Da hat Friedrich Merz die Festansprache gehalten. Da ist seine katholische, christliche Prägung deutlich geworden.
Mit Blick auf die CDU und bei der Diskussion um das neue Grundsatzprogramm ist darauf hingewiesen worden, dass das christliche Menschenbild nach wie vor die Grundlage der CDU und der Politik, die die CDU machen will, ist.
DOMRADIO.DE: Friedrich Merz ist ja Sauerländer, Sie auch. Gibt es da einen speziellen Sauerländer Katholizismus oder irgendwas, dass das Katholisch-Sein im Sauerland ausmacht?
Hamers: Es gibt einmal das evangelische Sauerland, das märkische Sauerland, sprich den Märkischen Kreis. Und es gibt die katholischen Gebiete im Sauerland, das alte Kurköln, das sind die Kreise Olpe und das Hochsauerland.
Gerade in diesen katholisch geprägten Gegenden spielt der katholische Glaube natürlich auch in der Tradition, in den Vereinen nach wie vor eine große Rolle. Denken Sie an die Schützenfest-Tradition, die ohne das katholische Fundament, das christliche Fundament nicht zu denken ist. Ich glaube, der katholische Glaube im Sauerland ist sehr bodenständig und durchaus pragmatisch. Er ist ja auch auf die Tradition bezogen.
Früher gehörte das katholische Sauerland zum Erzbistum Köln. Köln war weit weg. Jetzt gehört es zum Erzbistum Paderborn. Paderborn ist auch recht weit weg. Also, man hat schon einen sehr eigenständigen, selbstbewussten katholischen Glauben, der sehr pragmatisch und sehr bodenständig ist.
Man kann es gut in das Leben und vor allem auch in das gemeinsame Leben und in die Tradition integrieren, ohne irgendwie ein "Radikaler" zu sein oder besonders fromm oder besonders intensiv katholisch zu sein. Man hat das über die Jahrhunderte in den Familien und in der Tradition gut geerdet.
DOMRADIO.DE: Wenn man sich manche Aussagen von Friedrich Merz anguckt, dann hat man nicht den Eindruck, dass das christliche Menschenbild eine wichtige Rolle bei ihm spielt, sondern eher Populismus und Polemik. Wie lässt sich das aus Ihrer Sicht miteinander vereinbaren?
Hamers: Bei dem Vorwurf zu Populismus und Polemik muss man sehr vorsichtig sein. Die Politik ist dazu da, Antworten und Lösungen für die Probleme zu finden. Zum politischen Diskurs gehört es dazu, dass man darüber diskutiert, unterschiedliche Lösungen auf den Tisch legt und prüft, ob sie durchsetzbar sind, daraufhin prüft, ob sie rechtlich möglich sind und daraufhin prüft, ob sie mehrheitsfähig sind.
Aber von vornherein zu sagen, das sei polemisch oder wie jetzt zum Beispiel der Migrationsdebatte das von vornherein als Überbietungswettbewerb zu diskreditieren, halte ich für falsch, weil es diesem politischen Diskurs nicht gerecht wird. Insofern finde ich es gut und richtig, dass unterschiedliche Ansätze auch diskutiert werden.
Jetzt kann man sich natürlich auch aus kirchlicher Sicht oder auch aus christlicher Sicht in die Diskussion einbringen und sagen, dass es bestimmte Grundwerte gibt, die für uns sehr wichtig sind und die wir auch in dieser Diskussion für unverzichtbar halten. Daran wollen wir erinnern, darauf wollen wir hinweisen.
Aber die Lösung für die Probleme selbst, für die Fragestellung, für die Herausforderung, die uns unzweifelhaft auf dem Tisch liegen, muss die Politik suchen und nicht wir als Kirche. Wir müssen uns davor hüten, diese Lösungssuche von vornherein zu diskreditieren und Meinungen von vornherein auszuschließen. Das ist nicht unsere Aufgabe.
DOMRADIO.DE: Bislang scheint sich Merz auf dieses Thema Migrationspolitik ein bisschen eingeschossen zu haben. Er selbst sagt, Wirtschaft sei ihm auch sehr wichtig. Was wären denn Baustellen, von denen Sie sagen würden, dass sie für die katholische Kirche politisch wichtig sind? Könnte Merz da mit seiner Prägung, mit seiner Sozialisation vielleicht auch bei der Umsetzung nützlich sein?
Hamers: Ich glaube, das sind ganz große Herausforderungen. Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass wir die Funktionsfähigkeit unseres Staates weiterhin gewährleisten. Der Staat ist funktionsfähig, muss aber weiter auch funktionsfähig gehalten werden. Dazu gehört, dass es Rechtsvorschriften und Gesetze gibt, die auch anwendbar und durchsetzbar sind.
Das ist meines Erachtens ein ganz wichtiger Aspekt, damit auch weiterhin gemeinsames Leben in diesem Staat, in dieser Gesellschaft möglich ist und auch unterschiedliche Gruppierungen hier leben können.
Wir müssen aber auch schauen, dass es einen guten sozialen Ausgleich gibt. Das heißt, dass die Menschen, die Hilfe bedürfen, diese Hilfe von staatlicher Seite auch bekommen und zugleich aber auch der Staat alle mit herausfordert, ihren Teil dazu beizutragen, dass diese Gesellschaft, dass dieser Staat, dass unsere Wirtschaft, dass unser Zusammenhalt funktioniert. Eigenverantwortung muss auch gestärkt werden, damit Menschen dazu in die Lage versetzt werden, selbst Verantwortung für sich zu übernehmen.
Das ist zum Beispiel ein Ur-christliches Anliegen, ein Anliegen, was unmittelbar im christlichen Menschenbild wurzelt, den Menschen dazu zu befähigen, selber Verantwortung zu übernehmen und seinen Teil für die Gemeinschaft beizutragen. Also die Schwachen zu unterstützen und gleichzeitig die Starken durchaus herauszufordern und ein Regelungswerk zu schaffen, damit gemeinsames Leben und damit auch wertegebundenes, christliches Leben in diesem Land weiter möglich ist.
Das Interview führte Elena Hong.