Willibert Pauels war von Kölner Weltjugendtag euphorisiert

"Ich trauere der heilen Welt eines Weltjugendtages nicht nach"

Mehr als eine Million Menschen aus aller Welt standen am 21. August 2005 gemeinsam auf dem Marienfeld. Sie feierten mit Papst Benedikt XVI. den Abschlussgottesdienst des Kölner Weltjugendtags. Willibert Pauels erinnert daran.

Papst Benedikt XVI. auf dem Marienfeld am 20. August 2005 / © Wolfgang Radtke (KNA)
Papst Benedikt XVI. auf dem Marienfeld am 20. August 2005 / © Wolfgang Radtke ( KNA )

DOMRADIO.DE: Du wirst am 30. August beim Erinnerungsgottesdienst auf dem Papsthügel im Marienfeld die Festpredigt halten. Welche Erinnerung hast du an den Weltjugendtag vor 19 Jahren und an den Abschlussgottesdienst am 21. August? 

Diakon Willibert Pauels / © Nicolas Ottersbach (DR)
Diakon Willibert Pauels / © Nicolas Ottersbach ( DR )

Willibert Pauels (Diakon und Büttenclown): Ich habe selber nicht daran teilgenommen vor Ort, aber ich "klebte" an den Medien, ob es Berichte im Fernsehen waren, die Direktübertragungen, ich verfolgte DOMRADIO oder andere Nischensender wie den WDR. Der Funke sprang sogar dabei über. Das weiß ich noch ganz genau. 

Willibert Pauels

"Aber ebenfalls ein Grund dafür war die Sehnsucht nach Religion. Das hat mich berührt."

Ich war richtig euphorisiert, dass eine Millionen Menschen zusammenkommen. Der Grund dafür war natürlich auch ein bisschen Sensation. Da kommt der Papst, das hat immer auch eine Faszination. Aber ebenfalls ein Grund dafür war die Sehnsucht nach Religion. Das hat mich berührt. Natürlich wird es auch negative Sachen gegeben haben, aber mich hat dieser Weltjugendtag richtig euphorisiert.

DOMRADIO.DE: Kirche vor fast 20 Jahren beim Weltjugendtag, damals war die Stimmung rund um die katholische Kirche noch ein bisschen besser. Denkst du manchmal wehmütig an diese Zeiten zurück? 

Pauels: Ja, ein bisschen schon. Aber es ist, wie es ist, sagt der Rheinländer. Man darf nicht aus dem Gefühl "och, wat war dat noch schön“, Geschehnisse wie zum Beispiel die Missbrauchsfälle, die jahrzehntelang begangen worden sind, unter den Teppich kehren, damit das schöne Gefühl von Kirche bestehen bleibt. Das ist genau so ein Verbrechen. 

Willibert Pauels

"Deshalb bin ich auf der einen Seite natürlich traurig, dass die Kirche in einer gewaltigen Krise steckt. Auf der anderen Seite bin ich befreit, dass es überhaupt zum Thema gemacht worden ist."

Deshalb bin ich auf der einen Seite natürlich traurig, dass die Kirche in einer gewaltigen Krise steckt. Auf der anderen Seite bin ich befreit, dass es überhaupt zum Thema gemacht worden ist. Von daher, ich trauere der "heilen Welt" eines Weltjugendtages nicht nach. 

DOMRADIO.DE: Schauen wir nach vorne, auf den Erinnerungsgottesdienst am 30. August, ein Freitagabend. Kreisdechant Monsignore Achim Brennecke hat eingeladen, und du wirst die Festpredigt halten. Hast du dir schon Gedanken gemacht?

Pauels: Na klar! Das ist im Grunde genommen der Kern jeder Predigt von mir. Natürlich predige ich nicht immer dasselbe, aber für mich ist das Entscheidende die Perspektive, die mir mein Glaube schenkt. 

Ich sage das immer so: Als Griechenland noch funktionierte, also vor etwa 2000 Jahren, gab es einen Philosophen namens Epiktet. Dieser Philosoph hat eine der wichtigsten Erkenntnisse formuliert. Er hat gesagt, ihr meint immer, es wären die Dinge, die uns bestimmen. 

Natürlich, bei ganz wichtigen, positiven oder auch traumatischen Erlebnissen ist dieses Erlebnis das Entscheidende. Aber, so sagt Epiktet, das ist nur die Ausnahme. In den allermeisten Fällen sind nicht die Dinge das Entscheidende, sondern wie wir die Dinge sehen. Wie sehe ich die Welt, wie sehe ich meine Existenz? Aus welcher Perspektive? 

Dann hat Epiktet gesagt, die befreiende und gesündeste Perspektive ist die, über den Dingen zu stehen. Nicht im Sinne von Oberflächlichkeit oder Arroganz, sondern im Sinne von einer inneren Freiheit. Souveränität, das ist im Humor und vor allen Dingen in einer gesunden Religiosität so. 

Denn die radikalste Perspektive über den Dingen ist die religiöse Perspektive, dass der Mensch unendlich mehr ist als nur Materie, dass er eine unsterbliche Seele hat und dass der Tod nicht das letzte Wort hat, dieser befreiende Glaube, der österliche Glaube in unserer christlichen Religion. Radikaler über den Dingen kann man nicht stehen, weil du ja über dem Tod stehst. 

Wenn ich das meinen atheistischen Freunden sage, dann sagen sie immer, Willibert, du hast recht. Ihr, die Gläubigen, habt die besseren Geschichten. Ihr könnt eine Hoffnungsgeschichte erzählen, wo sogar der Tod keine Macht mehr hat. Aber auch wenn das so schön wäre, wenn wir eine unsterbliche Seele hätten, das ist nicht plausibel. 

Willibert Pauels

"Ich glaube, in allen Menschen ist ein unstillbarer Durst, dass der Mensch doch mehr sein möge als nur ein Zellhaufen, der biochemisch reagiert".

Dann antworte ich immer mit Eugen Drewermann. Der hat gesagt, der plausibelste Grund zu glauben, dass es Wasser wirklich gibt, ist der Durst. Ich setze das mal analog, ich glaube, in allen Menschen ist ein unstillbarer Durst, dass der Mensch doch mehr sein möge als nur ein Zellhaufen, der biochemisch reagiert. Sogar bei meinen atheistischen Freunden, sonst würden sie nicht sagen, das wäre schön. 

Ich vertraue meinem inneren Durst. Neben dem Sensationellen, dass der Papst kommt, hat auch der Durst eine Millionen Menschen auf diesen Hügel geführt. Die eucharistische Nacht, die der WDR live übertragen hat, hat dem WDR die größte Einschaltquote aller Zeiten gebracht, sagte damals Tom Buhrow. 

Das muss man sich mal überlegen. Wenn das jemand früher dem WDR gesagt hätte, dann hätte der gesagt, so ein Quatsch. Einen Kameramann hat das Ganze damals so beeindruckt, dass er sich danach hat taufen lassen. Also der Durst ist da. Man muss nur die Antwort auf diesen Durst geben. Das muss die Kirche machen. 

Das Interview führte Carsten Döpp. 

Weltjugendtag

Der Weltjugendtag (WJT) wird von der katholischen Kirche ausgerichtet und geht auf eine Initiative des heiligen Johannes Paul II. (1978-2005) zurück. Seit 1985 lädt das katholische Kirchenoberhaupt jährlich junge Christen aller Erdteile zu einem Treffen unter einem bestimmten Motto ein. Der erste offizielle Weltjugendtag fand in Rom statt. 

Ziel des internationalen Großtreffens ist es, jungen Menschen die Gelegenheit zu geben, das "junge und aktuelle Geheimnis der Kirche im gemeinschaftlichen Erlebnis von Pilgerfahrt, Gebet, Meditation und Gottesdienst zu entdecken".

Jugendliche beten den Kreuzweg auf dem Weltjugendtag in Panama / © Jean-Matthieu Gautier (KNA)
Jugendliche beten den Kreuzweg auf dem Weltjugendtag in Panama / © Jean-Matthieu Gautier ( KNA )
Quelle:
DR