Armenischer Bischof fordert von Deutschland Konfliktlösung

"Wir beten für Frieden"

Die Region Berg-Karabach gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, wird aber mehrheitlich von Armeniern bewohnt. Seit Jahrzehnten schwelt dort ein religiös-kulturell motivierter Konflikt. Bischof Isakhanyan schildert die Lage vor Ort.

Konflikt in Berg-Karabach / © David Ghahramanyan/NKR InfoCenter PAN Photo/AP (dpa)
Konflikt in Berg-Karabach / © David Ghahramanyan/NKR InfoCenter PAN Photo/AP ( dpa )

DOMRADIO.DE: Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie im Moment die Bilder von Krieg und Verwüstung in Ihrer Heimat sehen?

Serovpe Isakhanyan (Bischof der armenischen Kirche in Deutschland): Es war der 27. September, ein Sonntag, ich war in München und einen Tag davor habe ich eine Vorstandssitzung mit der Gemeinde dort gehabt. Frühmorgens um 6 Uhr klingelt plötzlich mein Telefon. Um 6 Uhr sonntags klingelt normalerweise bei niemandem das Telefon. Und dann dachte ich, was ist das, was ist passiert. Es war ein Priester unserer Diözese. Er hat mir dann gesagt, Exzellenz, Aserbaidschan hat wieder Karabach angegriffen. Ich dachte, schon wieder, mein Gott, was ist das.

Archimandrit Serovpe Isakhanyan, Bischof der armenisch-apostolischen Kirche in Deutschland / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Archimandrit Serovpe Isakhanyan, Bischof der armenisch-apostolischen Kirche in Deutschland / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

Es waren nur zwei Monate vergangen vom letzten Angriff, als Aserbaidschan Nordarmenien angegriffen hat. Und dann, kaum Frieden, kaum Ruhe, Waffenruhe, wieder Krieg. Aber zu dieser Zeit hat weder er, noch habe ich mir, die Massen, die Offensivität dieses Angriffes vorstellen können. Und jetzt wissen wir bereits was da wirklich geschehen war. Dass Aserbaidschan mit einer ganz großen Offensive Berg-Karabach angegriffen hat, auf der ganzen Kontaktlinie zwischen Berg-Karabach und Aserbaidschan. Und es gibt Hunderte von Opfern, sowohl auf armenischer Seite als auch auf aserbaidschanischer Seite.

Und dann habe ich am selben Tag direkt auch den Botschafter der Republik Armenien in der Bundesrepublik Deutschland angerufen und mit ihm gesprochen. Und er bestätigte: Exzellenz, es ist wirklich sehr, sehr ernst, es ist schlimm. Und dann erfuhr ich, dass der Katholikos, der übrigens in Rom war, im Vatikan, und sich am nächsten Tag, am Montag, mit Papst Franziskus treffen sollte. Dass er seinen Besuch abbricht und nach Armenien zurückkehrt. Dann dachten wir, es ist wirklich ganz ernst. Wenn ich auch sagen darf, dass das Treffen zwischen dem Katholikos, unserem Kirchenoberhaupt, und dem Papst, das am Montag vorgesehen war, am Sonntag stattfand und der Katholikos direkt nach diesem Treffen zurück nach Armenien ging.

DOMRADIO.DE: Man hat jetzt gesehen, bei den Kämpfen ist letzte Woche zum Beispiel auch die Christ-Erlöser-Kathedrale bombardiert und ganz schwer beschädigt worden. Wie sehr schmerzt Sie persönlich so was, das zu sehen?

Isakhanyan: Ich war schockiert, wirklich schockiert. Wenn ich ehrlich sagen darf, offen sagen darf, habe ich sogar angefangen zu weinen. Dann dachte ich, Mensch, was hat diese Kathedrale euch getan? Wieso ein Gotteshaus, wo wir für den Frieden beten? Nicht nur für den Frieden in Armenien, sondern auch in Aserbaidschan.

Es ist nicht nur ein armenisches Problem, es ist auch ein aserbaidschanisches Problem. Nicht nur unsere Mütter klagen um ihre Söhne, sondern auch aserbaidschanische Mütter. Und in dieser Kirche wird wirklich für den Frieden gebetet. Und nicht nur in dieser Kirche, wo ich persönlich auch war. Diese Kirche ist ein symbolträchtiges Gotteshaus, ein Wahrzeichen von Berg-Karabach. Und plötzlich hast du die Ruinen dieser Kirche vor Augen. Und die Bilder waren immer vor meinen Augen.

Aber als ich gestern gesehen habe, dass ein armenischer Cellist in dieser Kirche mit seinem Cello sitzt und ein armenisches Lied, "Krunk",  spielt - es ist ein trauriges Lied, "Kranich, Kranich, woher kommst du? Hast du gute Nachrichten aus unserem Land?" - dachte ich, nein, es ist auch Hoffnung da, dass wir diese Kirche wieder herstellen können.

DOMRADIO.DE: Es gibt die Hoffnung auf Frieden. Sie haben sich ja an deutsche Politiker gewandt, mit der Bitte um Hilfe, da einzuschreiten. Was genau fordern Sie denn zum Beispiel von der Bundesregierung?

Isakhanyan: In erster Linie, dass sie alles tun um den Krieg zu stoppen. Krieg ist keine Lösung. Krieg muss verurteilt werden, aufs Schärfste. Deutschland hat im Moment den Vorsitz im Rat der Europäischen Union und ist auch Mitglied des Sicherheitsrates der UN. Und in dieser Rolle kann auch Deutschland eine viel aktivere Rolle übernehmen, um die beiden Seiten, aber, jetzt muss ich sagen, die aserbaidschanische Seite, dazu zu bewegen zu verstehen, dass der Krieg nichts bringt.

Krieg ist keine Alternative. Krieg wird Verfeindungen noch schärfer machen. Das ist keine Lösung, sondern Verhandlungen. Und was ich noch erwarte, dass die deutsche Politik endlich aufhört die beiden Seiten gleichzusetzen. Armenien hat überhaupt kein Interesse daran Aserbaidschan anzugreifen, geschweige denn einen Krieg anzufangen. Nein, es ist nicht in unserem Interesse. Aber, das Problem muss im Rahmen der internationalen Prinzipien, Rechtsprinzipien gelöst werden.

Erstens friedlich, das ist ganz entscheidend, dass Krieg kein Weg ist eine Lösung zu finden. Zweitens, wie die Aserbaidschaner sagen, territoriale Integrität. Hier muss gefragt werden, ob die Unabhängigkeitserklärung von Berg-Karabach die territoriale Integrität von Aserbaidschan verletzt. Und drittens, auch das Recht eines Volkes, einer Bevölkerung auf seinem Territorium, Selbstbestimmung zu haben.

Das Interview führte Verena Tröster.

Berg-Karabach

Berg-Karabach: Die Kathedrale des Heiligen Erlösers, die durch Artilleriebeschuss beschädigt wurde (dpa)
Berg-Karabach: Die Kathedrale des Heiligen Erlösers, die durch Artilleriebeschuss beschädigt wurde / ( dpa )

Berg-Karabach ist eine mehrheitlich von Armeniern bewohnte Region im Kaukasus. Sie liegt auf aserbaidschanischem Staatsgebiet, wird aber von Armenien besetzt - ebenso wie eine "Pufferzone", die sich über sieben umliegende aserbaidschanische Provinzen erstreckt. Auf einer Fläche von der doppelten Größe des Saarlandes leben derzeit schätzungsweise rund 145.000 Einwohner.

Quelle:
DR