Umweltbeauftragter betont die Bedeutung der Artenvielfalt

"Wir sind abhängig von Insekten"

Schreitet das Artensterben unaufhaltsam voran? Mit diesem Thema hat sich nun die Weltnaturschutzkonferenz befasst und nächste Schritte beschlossen. Was kann man für die Bewahrung der Schöpfung tun? Und ist es nicht schon fast zu spät?

Insekten sind auch für den Menschen wichtig / © RUKSUTAKARN studio (shutterstock)
Insekten sind auch für den Menschen wichtig / © RUKSUTAKARN studio ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Auf der Konferenz der knapp 200 Vertragsstaaten der UN-Konvention für die biologische Vielfalt (CBD) wurde bis zu diesem Freitag vor Ort im chinesischen Kunming und mit online zugeschalteten Teilnehmern aus aller Welt über Wege aus der Krise im Kampf gegen das gefährliche Artensterben beraten. Was wurde auf der Konferenz beschlossen?

Dr. Christian Weingarten (Umweltbeauftragter des Erzbistums Köln): Erst einmal haben sich knapp 200 Staaten dazu bekannt, den Kampf gegen das Artensterben zu stärken und vor allen Dingen zu sagen, dass man anerkennt, dass das Artensterben schlecht für die menschliche Gesundheit ist. In den anderen Punkten wurde gesagt: Wir brauchen Kontrollmechanismen, wie wir das prüfen können und wir müssen vor allen Dingen die finanziellen Ressourcen deutlich erhöhen.

DOMRADIO.DE: Sind Sie zufrieden mit diesem Ergebnis?

Weingarten: Jein. Es ist ein starkes Symbol, aber es ist nicht rechtlich bindend. Dadurch fehlen letztendlich die Mechanismen, dass es auch wirklich funktioniert.

DOMRADIO.DE: Es klingt ganz schön, dass wir Artenschutz in den Mittelpunkt stellen wollen. Nur sieht die Realität leider anders aus. Vor zehn Jahren wurden schon einmal 20 konkrete Ziele festgelegt und kein einziges davon ist eingehalten worden. Haben Sie trotzdem ein bisschen Hoffnung?

Weingarten: Hoffnung ja, aber ich glaube, es müssen noch wichtige Schritte in den nächsten Jahren oder nächstes Jahr auf diese Konferenz folgen, dass es rechtlich bindend wird. 2010 wurde ja beschlossen, dass das Artensterben bis 2020 eigentlich aufgehalten werden sollte.

Und jetzt sind wir genau an dem Punkt, wo es eigentlich viel schlimmer ist. Das heißt, wir haben es nicht aufgehalten, sondern wir haben es noch mal verstärkt. Deswegen müssen wir wirklich schnell Mechanismen finden, wie wir uns als Staaten zu diesem riesengroßen Problem bekennen, was wir als Menschheit haben.

DOMRADIO.DE: Sie sind Umweltbeauftragter im Erzbistum Köln. Das heißt, Umweltschutz ist Ihr Steckenpferd. Was wären denn solche konkreten Schritte?

Weingarten: Ich glaube, wir müssen unser Handeln in ganz vielen Bereichen ändern. Das heißt zum einen: Wie versiegeln wir eigentlich Flächen? Im Bereich Neubauten bei Vorgärten zum Beispiel: Haben wir immer mehr Schottergärten oder schaffen wir wieder Raum für Pflanzen? Aber auch natürlich der ganz große Bereich der Landwirtschaft: Wie können wir Landwirte und Landwirtinnen gewinnen, eine Landwirtschaft zu machen, die Artenvielfalt oder Biodiversität wieder stärkt?

Ich glaube, da müssen wir ganz dringend mit den Menschen in Kommunikation kommen, dass wir in diesen großen Bereichen, wo wir viele landwirtschaftliche, aber auch forstwirtschaftliche Flächen haben, Biodiversität durch unsere Bewirtschaftung wieder stärken.

DOMRADIO.DE: Wieso ist Artenschutz für uns Menschen überhaupt so wichtig?

Weingarten: Ich glaube, das hat die Corona-Pandemie gezeigt: Dadurch, dass wir die Vielfalt verdrängt haben, führt das auch dazu, dass Krankheiten viel einfacher auf die Menschen übertragen werden können, die dann zu so einer Pandemie führen.

Aber letztendlich geht es vor allem darum: Wir brauchen Insekten, um Lebensmittelpflanzen zu bestäuben. Wir sind abhängig von Insekten, um Nahrungsmittel zu haben. Das ist vielfach nicht bewusst und es ist nicht so sichtbar. Ich glaube, dadurch werden viele Ziele nicht erreicht, weil das Problem einfach nicht so greifbar ist.

DOMRADIO.DE: Was kann jeder einzelne für den Artenschutz tun?

Weingarten: Es fängt mit einer Blume auf dem Balkon oder mit Pflanzen im Garten an. Aber es fängt auch mit der Frage an: Wie ernähre ich mich eigentlich? Denn Fleischkonsum führt auch in dem Masse, wie wir es in Deutschland haben, dazu, dass Artenvielfalt reduziert wird.

Oder: Wie kaufe ich ein? Kaufe ich regional ein? Kaufe ich vielleicht ökologischere Produkte ein, von denen ich weiß, dass diese von einem Bauernhof stammen, der sich auch dafür einsetzt, Biodiversität zu fördern. Es gilt also viele Dinge, insbesondere in der eigenen Art des Handelns und der Ernährung, nochmal zu hinterfragen.

DOMRADIO.DE: Das Erzbistum Köln wird ja auch aktiv. Es gibt jetzt eine Biodiversitätsmanagerin. Diese Stelle ist relativ neu. Was passiert da? Was macht diese Biodiversitätsmanagerin?

Weingarten: Wir haben uns auch als Kirche gefragt, was wir für eine Verantwortung für das Thema Biodiversität haben. Und wir haben eine große Verantwortung, weil wir viele Flächen haben. Da haben wir gesagt: Wie können wir etwas ändern? Der erste Schritt ist diese Biodiversitätsmanagement-Stelle, die dafür da ist, Kirchengemeinden zu unterstützen, ihre Flächen zu nutzen. Das sind manchmal kleine Flächen in der Stadt, um die Kirche oder es können auch mal Obstwiesen in der ländlichen Region sein.

Wie können Kirchengemeinden gemeinsam die Bewirtschaftung der Flächen nutzen, um Artenvielfalt zu stärken und auch das Thema nochmal auf eine ganz andere Priorität zu heben und das Bewusstsein dafür zu stärken?

Gleichzeitig gilt es, vielleicht auch wieder ein bisschen Freude an der Vielfaltzu finden. Biodiversitätsförderung wird immer sehr negativ gesehen, aber ich freue mich an jedem Schmetterling und an jedem Vogel, den ich in meinem Vorgarten sehe. Also, es kann auch was Positives sein.

Das Interview führte Michelle Olion.


Christian Weingarten, Leiter der Abteilung Schöpfungsverantwortung im Erzbistum Köln / © J.Rolfes (Erzbistum Köln Presse)
Christian Weingarten, Leiter der Abteilung Schöpfungsverantwortung im Erzbistum Köln / © J.Rolfes ( Erzbistum Köln Presse )
Quelle:
DR
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