DOMRADIO.DE: Gibt es in Berlin genug Schlafplätze, damit die Menschen nicht nachts draußen schlafen müssen?
Prof. Ulrike Kostka (Direktorin des Caritasverbandes des Erzbistums Berlin): Ja, es gibt ausreichend Schlafplätze. Es ist klasse, dass nochmal Schlafplätze aufgebaut wurden. Wir haben jetzt 1.400 Schlafplätze. Das ist sehr gut. Aber wir müssen auch immer davon ausgehen, dass nicht alle Menschen in die Unterkünfte gehen und auch welche draußen schlafen werden.
DOMRADIO.DE: Viele Menschen auf engem Raum... Wie problematisch sind denn diese Unterkünfte in Corona-Zeiten?
Kostka: Das ist auch ein Grund, warum manche obdachlose Menschen nicht in die Unterkünfte gehen. Grundsätzlich wird in den Unterkünften auch auf Abstände geachtet. Da gelten die Hygieneregeln. Aber das heißt noch lange nicht, dass alle Menschen bereit sind, auch in Unterkünfte zu gehen. Besondere Sorgen machen wir uns um die Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen trotzdem draußen übernachten. Da ist es auch wichtig, dass Bürger uns auf die aufmerksam machen. Es gibt Kältebusse, die durch die Gegend fahren. Viele Ehrenamtliche versuchen wirklich, in Berlin überall zu gucken, wo sich Menschen aufhalten. Trotzdem bete ich darum, dass wir auch jeden erreichen, weil sich auch manche Menschen in irgendwelchen Schrebergärten zurückziehen oder so.
DOMRADIO.DE: Was sind denn das für Gründe, nicht in einer Unterkunft zu schlafen?
Kostka: Teilweise sind es auch psychische Gründe, dass die Leute es nicht in Räumen aushalten können. Manche haben auch Angst vor Gewalt in Unterkünften oder haben vielleicht Tiere, die sie nicht mitnehmen können - das geht nicht in allen Unterkünften - oder haben Suchtprobleme, die sie daran hindern. Das ist brandgefährlich. Es geht jetzt bundesweit bei obdachlosen Menschen ums nackte Überleben. Das muss man deutlich sagen.
DOMRADIO.DE: Wie hilft denn die Caritas in Berlin den Menschen durch den Winter?
Kostka: Einmal haben wir Not-Übernachtungen, dann haben wir unser Arzt-Mobil. Es gibt unseren Food-Truck, der durch die Gegend fährt und warmen Mahlzeiten verteilt, was ganz, ganz wichtig ist. Dann geht es auch um medizinische Versorgung. Sie können sich vorstellen: Kälte ist natürlich einer der größten Gesundheitsrisiken für Menschen, die sowieso keinen guten Gesundheitszustand haben. Was auch eine wichtige Hilfe ist, ist ganz starke politische Arbeit, die wir machen und dass wir immer an dem Thema dranbleiben.
Mir liegt da sehr am Herzen, dass wir nicht nur auf Berlin gucken. Auch in Brandenburg, im ländlichen Raum, gibt es obdachlose Menschen und natürlich bundesweit. Da mache ich mir schon Sorgen, inwieweit alle Kommunen das wirklich im Blick haben.
DOMRADIO.DE: Wie können wir denn helfen, wenn wir jemanden auf der Straße sehen – vor allem in dieser Kälte?
Kostka: Das Wichtigste ist: Nicht vorbeigehen, sondern anhalten und denjenigen fragen, wie es ihm geht und ob man etwas machen kann. Wenn jemand nicht ansprechbar ist oder unwillig, dann einfach die Kältehilfe-Nummern anrufen. Die gibt es mittlerweile in sehr vielen Städten - und zur Not die Polizei. Auf keinen Fall einfach vorbeigehen. Denn schon ganz wenige Stunden in dieser Kälte können zum Tod führen. Wir wollen jeden Kältetod vermeiden.
Das wird uns aber langfristig nur gelingen, wenn die Menschen wirklich in Wohnungen kommen. Diese Situation zeigt, dass es ohne eine Wohnung und ein Dach über dem Kopf ein absolutes Lebensrisiko gibt. Deswegen ist unser wichtigster Einsatz der dafür, dass Menschen in Wohnungen kommen.
Das Interview führte Julia Reck.