Vatikandokument zur Religionsfreiheit im aktuellen Kontext

Wo liegt der Weg zum Frieden verborgen?

Das Thema Religionsfreiheit spielt eine wichtige Rolle in vielen aktuellen Debatten. Jetzt hat die päpstliche Internationale Theologenkommission ein Dokument dazu veröffentlicht.

Autor/in:
Roland Juchem
Kuppel des Petersdoms / © Cristian Gennari (KNA)
Kuppel des Petersdoms / © Cristian Gennari ( KNA )

Etwas unvermittelt, was auch die ein oder andere Frage aufwirft.

Vor knapp viereinhalb Jahren, im Dezember 2014, erhielt die Internationale Theologenkommission (ITC) von ihrem damaligen Vorsitzenden Kardinal Gerhard Ludwig Müller drei Arbeitsaufträge: "Das Prinzip der Synodalität in der katholischen Kirche", "Das Verhältnis zwischen Glauben und Sakramenten" sowie "Religionsfreiheit im aktuellen Kontext".

Ob sie so direkt von Papst Franziskus kamen, ist unklar, aber nicht unwahrscheinlich, liegt ihm doch gerade das erste Thema besonders am Herzen. Jedes der drei Themen wurde von einer zehnköpfigen Arbeitsgruppe behandelt.

Vier Monate bis zur Dokumentvorlage

Vergangene Woche nun wurde etwas unvermittelt das Arbeitsergebnis zur Religionsfreiheit bekannt. Abgegeben hatte die zuständige Gruppe um den spanischen Theologen Javier Prades von der Universität San Damaso, Madrid, ihren Text bereits im November. Alle 30 Mitglieder stimmten ihm zu - satzungsgemäß ist das notwendig. Gleichwohl dauerte es noch fast vier Monate bis Müllers Nachfolger und derzeitiger Präsident der Kommission, Kardinal Luis Ladaria, am 21. März dem Papst das rund 37-seitige Dokument vorlegte und gutheißen ließ.

Vergangene Woche dann wurde der auf Italienisch verfasste Text auf Vatican News und im Osservatore Romano veröffentlicht.

Einen konkreten Anlass habe es für das Dokument nicht gegeben, so der Bonner Theologe und Kommissionsmitglied Karl-Heinz Menke. Zwar war er nicht Mitglied der Arbeitsgruppe "Religionsfreiheit", hat Diskussionen und Text aber verfolgt. Aktualität, so Menke, habe das Thema Religionsfreiheit nicht nur in der islamischen Welt.

Was steht in dem Text?

Innerkatholische Rest-Debatten über die Religionsfreiheit - etwa mit den Pius-Brüdern - seien so gut wie nicht angesprochen worden. Auch den Widerstand der Kirche im 19. Jahrhundert gegen die von der Französischen Revolution propagierten Menschenrechte habe man nur kurz behandeln wollen. Die Päpste damals hätten "nicht heutige Religionsfreiheit" gemeint, sondern sich gegen die "antikirchliche Charta der Aufklärer" gewandt, so Menke. Der aktuelle Text habe nicht zu apologetisch werden sollen.

Dafür würdigt dieser die epochemachende Konzilserklärung "Dignitatis humanae" und behandelt die seither erfolgten gesellschaftlichen Veränderungen. Dazu gehören vor allem der liberale, demokratische Staat und seine Gesellschaft. Eine wichtige, wenngleich teils ambivalente Errungenschaft, befindet die Kommission. So macht sie jene auch für wachsenden Fundamentalismus in verschiedenen Gesellschaften verantwortlich. Religiöse Radikalisierung erscheine nicht nur als Rückkehr zu strengeren und traditionelleren Frömmigkeitsformen, sondern sei oft eine Reaktion auf den modernen Staat und dessen ethischen Relativismus.

Als einen zweiten Grund für Radikalisierung vermuten die Autoren, dass der religionsneutrale Staat religiöse Bürger nicht zureichend davor schütze, wegen ihres Bekenntnisses im kulturellen und politischen Leben behindert zu werden. Die Studie spricht in dem Zusammenhang von einer weltanschaulichen Neutralität, die ethische und religiöse Motivationen ausklammere und so faktisch für die "Marginalisierung, wenn nicht den Ausschluss religiöser Ausdrucksformen aus dem öffentlichen Bereich" sorge.

Religionsfreiheit und interreligiöser Dialog Wege zum Frieden

Interreligiöser Dialog ist laut dem Dokument für die katholische Kirche indes weder eine Alternative noch ein Widerspruch zur Verkündigung des eigenen Glaubens. Vielmehr bringe er im Austausch auf der Grundlage von Gerechtigkeit und Respekt zentrale Anliegen des Evangeliums zum Ausdruck. Religionsfreiheit und interreligiöser Dialog seien wichtige Wege zum Frieden.

Menke betont die Notwendigkeit, am Konzept von objektiver Wahrheit festzuhalten. Diese sei mehr als die Geltungsansprüche von Deutungen einer Mehrheit gegenüber einer Minderheit. Für die Religionsfreiheit heiße das in der Konsequenz: Es gibt eine Wahrheit über einen einzigen Gott: Er existiert. Wenn es aber Gott gibt, sei der eigene Wahrheitsanspruch auf Gott immer auch relativ. Religionsfreiheit verbiete es, die eigene Interpretation von Gott mit Gott selbst zu identifizieren.

Bislang liegt der Text nur auf Italienisch vor. Eine deutsche Übersetzung ist in Arbeit und vermutlich bis Herbst erstellt. Das Ergebnis des dritten Arbeitsauftrags zum "Verhältnis zwischen Glauben und Sakramenten" wird wohl Ende des Jahres vorgelegt; dann endet auch die aktuelle Arbeitsperiode der Theologenkommission. Zugleich soll dann das 50-jährige Bestehen des von Paul VI. eingerichteten Beratungsorgans gefeiert werden.

 

Erzbischof Luis Francisco Ladaria Ferrer im Vatikan / © Paul Haring (KNA)
Erzbischof Luis Francisco Ladaria Ferrer im Vatikan / © Paul Haring ( KNA )

 

Karl-Heinz Menke  (KNA)
Karl-Heinz Menke / ( KNA )
Quelle:
KNA