Rechtsanwältin über die Kreuzinschrift "INRI" als EU-weite Marke

Wo wird die Grenze überschritten?

Ein Unternehmer aus der Nähe von Augsburg hat sich die Kreuzinschrift "INRI" als EU-weite Marke sichern lassen. Müssen sich die Kirchen in Deutschland das einfach so gefallen lassen? Die Juristin Martina Taxhet kennt die Antwort.

Die Kreuzinschrift INRI - "Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum", zu Deutsch: "Jesus von Nazaret, König der Juden" / © Kaesler Media (shutterstock)
Die Kreuzinschrift INRI - "Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum", zu Deutsch: "Jesus von Nazaret, König der Juden" / © Kaesler Media ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Kann man denn überhaupt so etwas wie die Kreuzinschrift "INRI" als Marke eintragen lassen?

Dr. Martina Taxhet (Rechtsanwältin mit dem Schwerpunkt Markenrecht): Ja, man kann es als Marke eintragen lassen, es ist ja auch als Marke eingetragen worden. Sie können alles als Marke eintragen lassen, was die Möglichkeit bietet, einen Bezug zwischen dem Produkt, das Sie anbieten möchten, und dem Hersteller herzustellen.

Wenn Sie zum Beispiel in ein Sportgeschäft gehen und sich angucken, was für Laufschuhe da im Regal stehen, dann sehen Sie Laufschuhe mit den drei Streifen. Die gehören zu Adidas. Die Laufschuhe mit dem Swoosh gehören zu einem anderen Unternehmen. Marke kann alles sein, was diese Funktion erfüllen kann. Und das europäische Markenamt war offensichtlich der Einschätzung, dass die Buchstabenfolge "INRI" das auch kann.

DOMRADIO.DE: Gibt es denn Beispiele, wo die Grenze überschritten wurde? Wo religiöse Gefühle verletzt worden sind oder wo das als pietätlos angesehen werden kann? Kann man zum Beispiel eine Kneipe "Muttergottes" nennen oder einen Schnaps "Weihwasser" oder "Heiliger Geist"?

Taxhet: Sie müssen unterscheiden zwischen dem, was man als Marke eintragen lassen kann, also wo Sie ein Monopol drauf erwirken und dann andere Leute davon ausschließen können, dasselbe zu tun, und dem, was sie einfach unabhängig von einem Markenschutz tun dürfen und nicht tun dürfen.

Eingetragen bekommen Sie zum Beispiel keine Begriffe, die gegen das Anstandsgefühl der billig und gerecht Denkenden oder die öffentliche Ordnung verstoßen. Da gibt es natürlich Beispiele, bei denen das schon festgestellt worden ist.

Vergleichbar zu dem Fall, den Sie jetzt ansprechen, war vielleicht der Versuch, eine Bildmarke eintragen zu lassen, die eine Muttergottes mit einem Hanfblatt gezeigt hat. Das hat nicht funktioniert. Da hat man gesagt: Das verstößt gegen das Gefühl der religiös eingestellten Leute. Das muss auch geschützt werden.

DOMRADIO.DE: Aber die Kneipe "Muttergottes" ginge?

Taxhet: Ob man das als Marke eingetragen bekommen würde? Muttergottes für die Bewirtung von Personen - könnte man ausprobieren. Ich will da keine Prognose abgeben. Es ist natürlich immer ein bisschen die Ermessensfrage dessen, der da entscheidet. Die Frage wäre, ob der, der da gerade sitzt, denkt, dass das gegen die öffentliche Ordnung verstößt. Das ist eine Wertungsfrage. 

DOMRADIO.DE: Wenn sich dieser Unternehmer die Marke "INRI" sichern konnte, heißt das dann, die Kirchen in Deutschland müssen jetzt befürchten, wegen Verletzung des Markenrechts verklagt zu werden?

Taxhet: Nein, das heißt es auf gar keinen Fall. Sie bekommen eine Marke nicht im luftleeren Raum eingetragen, sondern immer nur bezogen auf bestimmte Waren und Dienstleistungen. Denn die Marke soll ja diese Herkunftsfunktion, von der ich anfangs gesprochen habe, erfüllen.

Der Unternehmer hat die Marke jetzt eingetragen bekommen für die Produkte, die man landläufig ins Merchandising reinbringt. Und wenn die Kirche sich jetzt überlegen würde, auch Merchandising-Produkte mit der Marke "INRI" auflegen zu wollen, dann würde sie da vielleicht ein Problem bekommen. Aber mit der üblichen Nutzung des Schriftzugs hat das gar nichts zu tun.

DOMRADIO.DE: Thema Merchandising: Der Kölner Dom taucht ja auch auf ganz vielen Produkten und Marken auf, wie "Domkölsch", "Dom-Apotheke" und auch bei "DOMRADIO.DE." Kommt es da schon mal zu juristischen Auseinandersetzungen?

Taxhet: Es kommt immer dann zu juristischen Auseinandersetzungen, wenn jemand die Marken des Kölner Doms nutzt. Das möchte der Dom natürlich nicht. Und da kann der Dom sich natürlich auch gegen wehren.

DOMRADIO.DE: Wie denken Sie, geht es weiter mit "INRI" als Markennamen? Wird die Kirche in Deutschland das unkommentiert lassen oder was empfehlen Sie da als Expertin?

Taxhet: Das ist eigentlich keine Empfehlung, die ich da geben könnte. Die Frage ist, ob die Kirche sich durch so etwas gestört fühlt. Und wenn sie sich gestört fühlt, dann könnte sie versuchen, etwas dagegen zu unternehmen. Es gäbe wahrscheinlich zwei Anknüpfungspunkte, die man versuchen könnte.

Das eine ist: Die Marke ist meines Wissens schon aus der Benutzungsschonfrist raus. Man könnte mal gucken, ob die überhaupt markenmäßig genutzt worden ist oder ob man sie gelöscht bekommt. Und ansonsten könnte man nochmal die Frage aufwerfen, die Sie am Anfang gestellt haben, ob diese Marke vielleicht doch gegen das Anstandsgefühl verstößt. Das könnte man dann versuchen bis zum Bundespatentgericht oder bis zum Bundesgerichtshof hoch klären zu lassen, wenn man das wollte.

Das Interview führte Heike Sicconi. 


Quelle:
DR