Erzbischof Castellucci spricht über den synodalen Weg in Italien

"Wunsch nach Wesentlichkeit und Verschlankung der Kirche"

Erzbischof Erio Castellucci ist stellvertretender Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz. Im Interview spricht er über synodale Pläne und Scheu in Italien sowie Argwohn gegenüber dem Synodalen Weg in Deutschland.

Erzbischof Erio Castellucci / © Romano Siciliani (KNA)
Erzbischof Erio Castellucci / © Romano Siciliani ( KNA )

KNA: Es gibt mehrere Begriffe für die Synodalitätsinitiative des Papstes: "synodaler Weg", "synodaler Prozess", "Nationalsynode" ... Wie nennen Sie sie?

Erzbischof Erio Castellucci (Erzbischof von Modena und Carpi, stellvertretender Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz sowie Berater des Generalsekretariats der Bischofssynode im Vatikan): Ich nenne sie "synodaler Weg"; das ist die Entscheidung der Italienischen Bischofskonferenz. Damit haben wir einen Kurs eingeschlagen, der uns nach dem ersten pastoralen Jahr der Weltsynode dazu führen soll, einen "italienischen" Weg zu suchen.

Ab dem zweiten Jahr werden wir uns auf Themen konzentrieren, die als "pastorale Prioritäten" für unsere Ortskirchen festgesetzt werden. Dies lässt uns mehr Freiheit, den Weg zu lenken und ihn im Laufe der Arbeit zu korrigieren und zu präzisieren.

KNA: Italiens Bischöfe sagen, ihnen gehe es weniger um Themen als um einen neuen Stil in der Kirche. Wie genau soll sich dieser vom bisherigen unterscheiden?

Castellucci: Wir wünschen uns vor allem mehr Dynamik in unseren Ortskirchen. Wir fangen dabei nicht bei Null an, sondern setzen etwas fort, das vor 50 Jahren mit dem ersten Pastoralplan begonnen wurde.

Die besten Energien sollten nicht für die Selbsterhaltung der Kirche, sondern für die Verbreitung des Evangeliums Jesu eingesetzt werden. Es gibt einen weit verbreiteten Wunsch nach Wesentlichkeit, nach einer pastoralen "Diät", nach einer Verschlankung unserer Strukturen, um bei der Evangelisierung beweglicher zu sein.

KNA: Sie werden aber auch über konkrete Themen sprechen müssen. Welche sind das in Ihrer Diözese?

Castellucci: Ich begleite zwei Diözesen: Modena und Carpi. Ich sage bewusst "begleiten", nicht "führen". Denn ich spüre, dass ich mit den Menschen auf einer Reise bin und viel lerne. Wir haben beschlossen, im ersten Jahr des synodalen Weges Erfahrungen, Erzählungen und Vorschläge zu sammeln, die in synodalen Gruppen vor Ort entstehen.

Ausgehend vom "Glaubenssinn" des Gottesvolkes wollen wir Themen bestimmen, zu denen der Weg dann fortgesetzt wird.

KNA: Wenn Sie auf den Synodalen Weg in Deutschland schauen: Macht Ihnen das Mut? Ängstigt Sie das? Ein offenes Wort bitte.

Castelluccici: Ich habe den Eindruck, dass die katholische Kirche in Deutschland einen mutigen Weg eingeschlagen hat. Der beginnt mit Themen, die besonders empfunden, erlitten und diskutiert werden. Ich weiß nicht, ob es falsch war, aber ich denke, zu Beginn hätte besser unterschieden werden sollen zwischen dem, was in der Verantwortung einer nationalen Kirche und der Universalkirche liegt.

Die Infragestellung des Zölibats zum Beispiel ist richtig. Um aber Erwartungen zu vermeiden, die über die Kompetenz der Bischofskonferenzen hinausgehen, ist es gut, klarzustellen, dass das, was dabei herauskommt, dem Papst übergeben wird, der die Verantwortung für die Entscheidung trägt.

KNA: Haben kirchliche Themen wie Macht, Sexualmoral, Missbrauch, Verantwortung von Frauen in Italien einen ähnlichen Stellenwert wie in Deutschland?

Castellucci: Wenn sich in den zwei Jahren des Zuhörens einige dieser Themen als Priorität herausstellen, werden sie bei uns sicherlich unter dem Blickwinkel behandelt, von dem ich gesprochen habe: Was in die Zuständigkeit der Ortskirchen fällt, wird von diesen geprüft werden, und was in die Zuständigkeit des Papstes fällt, wird ihm anvertraut werden. Wichtig ist jedoch, dass man damit beginnt, auf das Wort und den Geist Gottes zu hören.

Mir scheint, dass er eher durch Erfahrungen, Realitäten und tiefe Sehnsüchte der Menschen spricht, vor allem der Armen und Leidenden.

Wenn wir hören wollen, "was der Geist den Kirchen sagt", müssen wir auch die Stimme derer hören, die am Rande stehen und oft nicht einmal die Möglichkeit haben, Theorien und Projekte zu entwickeln. Die Kirche als "Feldlazarett" liebt eher Gesten der Nähe zu den Menschen als Kongresse und Debatten zwischen Experten. Letztere sind sinnvoll, wenn sie von den ersteren ausgehen.

KNA: Welche Themen stehen in Italien bisher im Vordergrund?

Castellucci: Die Frage ist etwas heikel. Sollte zufällig eines der von mir genannten Themen künftig als Priorität gewählt werden, könnte man mir Manipulation vorwerfen. Dennoch meine ich, dass wir von einer Pastoral der Bewahrung zu einer Pastoral der Mission übergehen müssen. Damit verbunden ist die erwähnte Frage der Strukturen: nicht nur der Kirchen, Pfarrhäuser, Gemeindezentren, Kindergärten, sondern auch der organisatorischen, pastoralen und spirituellen Strukturen.

Wir sind zu schwerfällig.

Andere Themen wären die Präsenz der Katholiken in der Politik, Erziehung und Bildung, Katechese sowie einige Themen des deutschen Weges: "Macht", also Mitverantwortung in der Leitung, die Rolle von Frauen. Die bilden auch in Italien die große Mehrheit der in den Gemeinden engagierten Personen, nehmen aber kaum wirklich an Entscheidungen teil.

KNA: In Deutschland treten viele Katholiken aus der Kirche aus. Woher wissen Sie, wenn jemand in Ihrer Diözese enttäuscht oder verärgert die Kirche verlässt?

Castellucci: In Italien ist es nicht möglich, statistisch zu erfassen, wer sich noch der Kirche zugehörig fühlt und wer sie verlässt. Das ist meiner Meinung nach besser, denn man kann nicht so einfach unterscheiden: Manchmal leben diejenigen, die sich nicht aktiv der Kirche zugehörig fühlen, eine Nähe zum Evangelium.

Umgekehrt nehmen einige von denen, die "drinnen" sind, Haltungen ein, die mit dem Leben der Kirche nicht vereinbar sind. Woher weiß ich in der Diözese, warum Menschen die Kirche verlassen?

Einige sagen es, andere schreiben E-Mails oder Briefe, wieder andere teilen es den Pfarrern und Pastoralreferenten mit. Auch in Italien meinen viele, die Kirche sei zu langsam oder nicht auf der Höhe der Zeit. Andere meinen das Gegenteil, dass sich die Kirche zu sehr der Welt anpasst.

Das Interview führte Roland Juchem.


Quelle:
KNA