Zahl der Auszubildenden in Pflegeberufen geht zurück

"Ein bedrückendes Zeichen"

Deutlich weniger Menschen haben im vergangenen Jahr eine Ausbildung in einem Pflegeberuf aufgenommen. Für die Branche ein schlechtes Zeichen, denn in der alternden Gesellschaft steigt der Bedarf an Pflegekräften.

Autor/in:
Christoph Arens
Symbolbild Pflege / © Halfpoint (shutterstock)

Das sind keine guten Nachrichten für die Pflege in Deutschland: Während die Personallücken in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen wachsen und die alternde Gesellschaft zunehmend mehr Pflegekräfte benötigen wird, haben sich im vergangenen Jahr deutlich weniger Menschen für eine Ausbildung in den Pflegeberufen entschieden als im Vorjahr.

Dabei hatten Experten darauf gehofft, dass die 2020 reformierte Pflegeausbildung zu einer steigenden Attraktivität des Berufs beitragen werde.

Ausbildung im Jahr 2020 reformiert

Wie das Statistische Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden mitteilte, haben 2022 rund 4.000 Menschen weniger als im Jahr 2021 einen Ausbildungsvertrag in der Pflege abgeschlossen - ein Rückgang um sieben Prozent. Während 2021 noch 56.300 neue Ausbildungsverträge gezählt worden waren, sind es 2022 nur 52.300.

In einem Altenpflegeheim / © pics five (shutterstock)

Insgesamt durchliefen im vergangenen Jahr 146.500 Menschen eine Ausbildung zur Pflegefachfrau beziehungsweise zum Pflegefachmann. Weiterhin wählen hauptsächlich Frauen diesen Beruf. Ihr Anteil lag insgesamt bei 76 Prozent. Auch bei den Neuabschlüssen waren es 74 Prozent.

Um die Kranken- und Altenpflege attraktiver zu machen, hatte die Bundesregierung 2020 die Ausbildung reformiert. Seitdem gibt es eine einheitliche Ausbildung für Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege.

Im dritten Jahr können sich die Bewerber für eine Fortsetzung der generalistischen Ausbildung entscheiden oder ihren Schwerpunkt auf Alten- oder Kinderkrankenpflege legen.

Patientenschützer schlagen Alarm

Als ein bedrückendes Zeichen wertete Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, die Zahlen. Der Rückgang bei den Ausbildungsverträgen zeige, dass die bisherigen Bemühungen nicht ausgereicht hätten, um den Pflegeberuf attraktiver zu machen.

Eugen Brysch / © Jörg Loeffke (KNA)
Eugen Brysch / © Jörg Loeffke ( KNA )

Probleme befürchtet Brysch insbesondere für die Altenpflege: Es sei fraglich, wie viele Ausgelernte sich für einen Job in der Langzeitpflege entschieden, sagte er. "Schließlich ist der Verdienst in Krankenhäusern deutlich besser." Zudem müsse alles getan werden, um den Nachwuchs langfristig im Job zu halten. "Angemessene Löhne reichen hier nicht aus. Neben verlässlichen Arbeitszeiten und einer guten Work-Life-Balance, müssen Berufsanfänger auch mehr Verantwortung übertragen bekommen", sagte Brysch.

Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste erklärte, die Zahlen seien ein Beweis dafür, dass die Einführung der generalistischen Pflegeausbildung "ein schwerer politischer Fehler" gewesen sei.

Dabei ist die Zahl der neuen Ausbildungsverträge nur begrenzt aussagekräftig: Die Vorsitzende des Deutschen Pflegerates, Christine Vogler, hatte zu Jahresbeginn erklärt, es gebe noch keine belastbaren Zahlen darüber, wie die Bewerber mit der neuen Ausbildung zurechtkämen. Schon vor der Reform hätten 20 bis 25 Prozent ihre Ausbildung abgebrochen.

Hoher Zeitdruck

Die Pflegeexpertin betonte, durch die generalistische Ausbildung hätten junge Menschen die Chance, beruflich in alle pflegerischen Versorgungsgebiete - zum Beispiel Krankenhaus oder Pflegeheim - unkompliziert zu wechseln. Sie könnten auch viel leichter im Ausland arbeiten. "Es gibt deutlich mehr Optionen. Das steigert natürlich die Attraktivität."

Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats, am 1. September 2021 in Berlin. / © Reiner Freese/Deutscher Pflegerat (KNA)
Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats, am 1. September 2021 in Berlin. / © Reiner Freese/Deutscher Pflegerat ( KNA )

Im Oktober zeigte ein Report der Gewerkschaft Verdi, dass die Qualität der Pflegeausbildung durch chronische Personalnot in Kliniken, Pflegeeinrichtungen und ambulanten Diensten leide. "Weniger als 43 Prozent der Auszubildenden in der Pflege sind mit ihrer Ausbildung zufrieden. Das ist ein Alarmsignal und deutlich schlechter als in anderen Berufen", erklärte Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. Über alle Ausbildungsberufe hinweg sind nämlich gut 71 Prozent der Auszubildenden zufrieden oder sogar sehr zufrieden.

In der Pflege fühlt sich fast die Hälfte der Auszubildenden häufig oder immer belastet. Viele klagen über hohen Zeitdruck (62 Prozent), mangelnde Vereinbarung von Berufs- und Privatleben (48 Prozent) sowie fehlende Pausen (43 Prozent). 58 Prozent berichten, dass sie immer oder häufig Probleme haben, sich in ihrer Freizeit zu erholen - eine Verdoppelung gegenüber 2015.

Angehörigenpflege

Mit dem Vorrang der häuslichen vor der stationären Pflege setzt die deutsche Pflegepolitik auf die Pflegefähigkeit und -bereitschaft der Familien: bei Paaren im Rentenalter insbesondere auf den hohen Einsatz des nicht pflegebedürftigen Partners, bei der Pflege der Elterngeneration vor allem auf die Pflegearbeit der Töchter und Schwiegertöchter. Tatsächlich wurden fast drei Viertel der 2,9 Mio. Pflegebedürftigen, die Ende 2015 Leistungen der Pflegeversicherung erhielten, zuhause gepflegt.

Häusliche Pflege / © Harald Oppitz (KNA)
Häusliche Pflege / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA