DOMRADIO.DE: Die Wahlergebnisse der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen waren nicht wirklich überraschend, aber trotzdem nicht weniger schockierend. Wie blicken Sie als ZdK darauf?
Marc Frings (Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken / ZdK): Schock würde bedeuten, dass es aus dem Nichts kommt. Das ist leider nicht der Fall. Seit vielen Monaten und vielen zurückliegenden Vollversammlungen haben wir uns damit intensiv beschäftigt. Wir sind natürlich sehr beunruhigt über die gesamtgesellschaftliche Entwicklung, die sich auch in Meinungsumfragen und in konkreten Wahlergebnissen manifestiert.
Wir haben eine sehr klare Haltung dazu. Wir sagen, dass AfD-Mitglieder weder ein Haupt- noch ein Ehrenamt im Bereich der katholischen Kirche einnehmen können. Entsprechend werben wir dafür, dass Deutschland ein buntes, demokratisches, vielfältiges Land bleibt.
DOMRADIO.DE: Jüngst ist der Katholikentag in Erfurt zu Ende gegangen, wo AfD-Vertreter explizit nicht eingeladen waren. Das war bei anderen Katholikentagen anders, mit der Argumentation, dass man sich auch mit dem Standpunkt der Leute, die diese Partei wählen, auseinandersetzen muss. Warum dieses Umdenken?
Frings: Zunächst muss man sagen, dass wir die AfD nicht einbinden, ist die Regel und nicht die Ausnahme. Lediglich in Münster war es anders. Da war der religionspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion eingeladen. In der Regel haben wir aber ganz klar gesagt: Mit christlichen Werten ist die AfD einfach nicht kompatibel und deswegen können wir sie auch nicht für große Bühnenveranstaltungen einbinden.
In Thüringen, wurde es uns - das klingt jetzt sehr zynisch - sehr leicht gemacht, denn der Landesverband ist gesichert rechtsextrem, er wird vom Landesverfassungsschutz beobachtet. Das beunruhigt uns sehr. Deswegen haben wir gesagt, das geht auf keinen Fall. Gleichzeitig haben wir uns sehr intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt.
Wir hatten während des Katholikentags einen sogenannten roten Faden "Demokratie und Vielfalt" und haben nicht nur bei den großen Podien, die natürlich immer besonderes öffentliches Interesse auf sich ziehen, darüber verhandelt. Vor allem die Werkstätten will ich da noch mal ins Wort bringen, wo das eben auch Thema war.
Beispielsweise hatten wir einen Workshop angeboten, in denen Menschen ertüchtigt wurden, wie man damit umgeht, wenn sonntags bei einer Familienfeier auf einmal der Onkel anfängt mit rechtsradikalen Positionen um sich zu werfen. Ich glaube, man muss sich immer wieder selber in der Rhetorik trainieren, um im öffentlichen Raum zu wissen, was man den sehr vereinfachten Aussagen der AfD, die populistisch und extremistisch sind, entgegnen kann.
DOMRADIO.DE: Die Koalitionsverhandlungen laufen noch nicht. Sämtliche demokratischen Parteien haben gesagt, sie werden nicht mit der AfD zusammenarbeiten. Gehen wir mal hypothetisch davon, dass es in Thüringen oder Sachsen zu einer Regierungsbeteiligung der AfD kommt. Für Sie als ZdK ist es ja auch wichtig, im Kontakt mit den Politikern, mit den Regierungen zu stehen. Haben Sie da eine Linie?
Frings: Auf gar keinen Fall würden wir mit ihnen reden. Denn wir sagen ja nicht nur aus einem moralischen Kompass heraus, dass man mit der AfD nicht reden kann, selbst wenn man einzelne Politikfelder durchdekliniert: Sei es die Europapolitik, die Familienpolitik, die Migrationspolitik.
In keiner einzigen Politikbranche würde man die AfD in ihrer Weise satisfaktionsfähig erleben und sie damit als Gesprächspartnerin aufwerten können. Insofern kann es diese Gespräche nicht geben.
DOMRADIO.DE: In Brandenburg stehen die Landtagswahlen noch an. Wie blicken sie darauf?
Frings: Mit ähnlich großer Sorge. Ich bin als jemand, der in Berlin wohnt, auch viel privat in Brandenburg unterwegs. Ich habe schon vor der Europawahl sehr deutlich gespürt, wie dort die Stimmungen sind. Wir erleben in Brandenburg ähnlich wie in Thüringen und Sachsen, dass sehr verschiedene Politikebenen zusammengerührt werden.
Am wenigsten stehen eigentlich landespolitische Herausforderungen und Themen im Mittelpunkt. Hier gilt es auch immer wieder, in die politische Bildung zu investieren. Ein Feld, das ja vor allem auch in Thüringen angefragt wurde, "Erinnerungskultur und Demokratiearbeit", wurde dort zum Wahlkampfthema.
Deswegen ist es wichtig, dass man genau versteht, worüber man hier eigentlich abstimmt und in der Verantwortung der Landespolitik liegt. Deswegen hoffe ich, dass da in den nächsten Tagen ein deutliches Umdenken passiert.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.