ZdK-Präsidentin erfreut über Segen für homosexuelle Paare

"Ich würde sagen: Gott sei Dank"

Nicht verheiratete und gleichgeschlechtliche Paare dürfen laut Vatikan einen katholischen Segen empfangen. Ist das dem Synodalen Weg zu verdanken? ZdK-Präsidentin Stetter-Karp sagt: "Wir müssen weiterhin um Reformen ringen."

Irme Stetter-Karp / © Gordon Welters (KNA)
Irme Stetter-Karp / © Gordon Welters ( KNA )

DOMRADIO.DE: Der Vatikan erlaubt Segen für nicht verheiratete und gleichgeschlechtliche Paare. Hand aufs Herz, Hätten Sie das noch für möglich gehalten? 

Irme Stetter-Karp (Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken): Nein, ich hätte es nicht erwartet, aber ich jubele mit vielen, dass es so ist. Und das würdigt natürlich auch die vielen Bemühungen, die wir dazu geleistet haben, ohne dass ich sagen würde, wir waren es. 

DOMRADIO.DE: Noch 2021 hat die Kurie diesen Schritt explizit untersagt, auch jetzt im Blick auf den Synodalen Weg in Deutschland, wo ja Segensfeiern explizit mit Mehrheit auch der Bischöfe beschlossen worden sind. Was denken Sie, wieviel an dieser Entscheidung ist Deutschland zu verdanken? 

Stetter-Karp: Ach, das ist müßig. Ich kann nur sagen, wir haben uns wirklich redlich im Forum IV innerhalb des Synodalen Weges und innerhalb der Synodalversammlung seit mehreren Jahren damit befasst. Wir haben uns redlich um das Thema bemüht, auch um gute Differenzierung und wissenschaftliche Begründung. Aber nun zu sagen "wir waren es", das ist nicht meine Art. Ich freue mich und bin natürlich überrascht zugleich. 

DOMRADIO.DE: Der Vatikan warnt allerdings auch davor, dass solche Siegesfeiern nicht formalisiert werden oder in Gottesdienste eingebunden werden dürfen. Das ist ja eigentlich genau die Planung, die sich der Synodale Weg wünscht. Es wurde ein klarer Auftrag beschlossen, formale Regeln zu erlassen. Sehen Sie darin einen Konflikt? 

Stetter-Karp: Nein, ich will im Moment gar keinen Konflikt beschwören. Die Hauptlinie heißt für mich: Das Glaubensdikasterium tut hier etwas, was wir im Kern begrüßen wollen und können. Entscheidend scheint mir auf die Paare hin, die nach diesem Segen suchten, dass endlich Zuwendung durch Segen geschehen darf. Ich würde sagen: Gott sei Dank. 

Wir hatten ja in diesem Jahr doch auch manche Situationen, in denen wir Sorge tragen mussten, wie es denn geht, katholisch zu sein und glaubwürdig zu bleiben als einzelne, als pastoral Handelnde den Menschen nicht zurück zuweisen. Insofern: Katholisch sein heißt in diesen Zeiten auch mit Veränderung zu rechnen. 

Irme Stetter-Karp

"Katholisch sein heißt in diesen Zeiten auch mit Veränderung zu rechnen."

Und wir wollen weiterhin mit Veränderung rechnen, nicht nur an diesem Punkt. Aber ich freue mich natürlich, dass an diesem Punkt jetzt ein Treffer gelandet werden konnte. Es ist gut, dass die Kirche jetzt, spätestens jetzt, eine gewisse Beweglichkeit im Sinne der Menschenwürde beweist.

DOMRADIO.DE: In Punkt 38 des neuen Dokumentes steht man will homosexuelle Partnerschaften "weder fördern noch ein Ritual dafür vorsehen." Weniger Diskriminierung ist aber immer noch Diskriminierung, oder? 

Stetter-Karp: Wir hatten im Forum IV, wo ich Mitglied war, bevor ich als Präsidentin gewählt wurde, auch gerungen um die Frage: Wie kann es uns gelingen, angesichts eines klar umgrenzten sakramentalen Eheverständnisses und auf der anderen Seite wissend um die Notwendigkeit und das Bedürfnis einer pastoralen Zuwendung, wie kann es gelingen, diese Spannung nicht einseitig aufzulösen, sondern die Möglichkeiten zu erweitern, zu gestalten und zu schaffen? 

Natürlich würde ich mir auch immer noch mehr wünschen wie viele von uns. Gleichzeitig sage ich auch mit Blick auf die Situation im Vatikan: Wir müssen ja leider immer wieder auch schauen, was ist machbar, wo gibt es Mehrheiten, wo gibt es ein Signal, dass es weitergehen kann? In dieser Gesamtsituation will ich sagen: Das Glas ist halbvoll, nicht halbleer.

Irme Stetter-Karp

"Das Glas ist halbvoll, nicht halbleer."

DOMRADIO.DE: Ein großes Argument gegen die Reformen in Deutschland war die Angst vor einem Bruch der Weltkirche, einem Schisma. Kann man das jetzt umdrehen? Ich kann mir schwer vorstellen, dass gewisse Stimmen in Osteuropa oder in Afrika nun vor Freude jubeln werden.

Stetter-Karp: Ich denke nicht nur bei diesem Thema. Das konnten wir die letzten Monate auch beobachten. Die Spannungen sind nicht gering, die Machtkämpfe sind groß, die Mittel dazu sind nicht immer die feinsten. 

Ich glaube auch, es wird natürlich eine gespaltene Resonanz geben. Das müssen wir abwarten. Wir hatten ja in den letzten Wochen auch die Situation zwischen der polnischen Ortskirche und unserer Kirche. Man kann ahnen, wie die Reaktionen ausfallen werden. Ich will die aber gar nicht vorwegnehmen. In dieser Spannung bewegt sich auch die Weltkirche insgesamt. Und in dieser Spannung bewegt sich auch der Papst mit seinen Überlegungen und auch sein neuer Chef des Glaubensdikasteriums. Ich glaube, dass dem nicht sofort auszuweichen ist. 

DOMRADIO.DE: Am Ende zurück zum Synodalen Weg: Sie haben sich im Reformprozess auch für andere Schritte ausgesprochen und die beschlossen, Frauenweihe, die Beteiligung des Gottesvolkes an der Berufung von Bischöfen. Denken Sie denn, dass diese Entscheidung jetzt auch bei diesen anderen Themen eine Rolle spielen könnte, dass da jetzt eine Tür geöffnet wird? 

Stetter-Karp: Ich würde es mir natürlich von Herzen wünschen, weil ich weiß, dass Hunderttausende darauf warten. Bei der Frauenfrage bin ich wirklich absolut überzeugt davon. Es gibt kein Zurück, wenn die katholische Kirche hier sich nicht öffnet, und zwar nicht irgendwann in 40, 50 Jahren, dann sind eineinhalb Jahrhunderte verloren. 

Ich würde es mir wünschen. Viele wünschen es sich. Viele können es nicht mehr erwarten. Dennoch bin ich leider nüchtern genug, um zu sagen: Ich erkläre daraus keinen Selbstläufer, sondern ich glaube, wir müssen weiterhin ringen. Wir hatten nie eine ganz klare Linie im Vatikan, der eine oder die andere Seite hätte sagen können: Wir haben den Sieg. Das halte ich für extrem leichtsinnig, jetzt von einem Schritt auf den nächsten zu denken, also zu sagen, es ist so, sondern weiterhin versuchen wir mit Argumenten zu überzeugen. 

Die Frage ist jetzt, ob die patriarchalen Denkmuster hier gesprengt werden können oder nicht. Und der Apparat steht immer noch an den Mauern und zieht sie hoch. Zum Teil. 

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Katholische Kirche erlaubt Segnung für homosexuelle Paare

Homosexuelle Paare können ab sofort auch in der katholischen Kirche gesegnet werden. Die vatikanische Glaubensbehörde veröffentlichte am Montag eine Grundsatzerklärung, wonach katholische Geistliche unverheiratete und homosexuelle Paare segnen dürfen. In dem Text mit dem Titel "Fiducia supplicans" (deutsch: Das flehende Vertrauen) wird betont, dass dabei eine Verwechslung mit einer Eheschließung ausgeschlossen werden muss. Auch darf ein Geistlicher den Segen nicht im Rahmen eines Gottesdienstes erteilen.

Ein Regenbogen leuchtet über dem Petersdom vor dem Beginn der wöchentlichen Generalaudienz von Papst Franziskus im Vatikan / © Gregorio Borgia (dpa)
Ein Regenbogen leuchtet über dem Petersdom vor dem Beginn der wöchentlichen Generalaudienz von Papst Franziskus im Vatikan / © Gregorio Borgia ( dpa )
Quelle:
DR