Zentralratspräsident Schuster kritisiert deutsche Israel-Außenpolitik

"Gähnendes Schweigen"

Mahnende Worte, ausbleibende Reaktionen, ein Tiefpunkt - Josef Schuster wirft der deutschen Außenpolitik mangelndes Engagement für Hamas-Geiseln vor. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hingegen wird für seinen Einsatz gelobt.

Flaggen von Deutschland, Israel und der EU vor dem Brandenburger Tor / © Mo Photography Berlin (shutterstock)

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat die deutsche Außenpolitik kritisiert. "Die Bundesrepublik Deutschland hat mich enttäuscht, was ihr öffentliches Eintreten bezüglich des Schicksals der Hamas-Geiseln angeht", sagte er dem "Tagesspiegel" (Mittwoch). "Gerade das Auswärtige Amt hat sich meist vornehm zurückgehalten, um vermeintliche Verhandlungspartner nicht zu verprellen."

Schuster erklärte: "Aufrufe zur Freilassung der Geiseln wurden meist mit mahnenden Worten an Israel ergänzt; was für eine Indifferenz!" Zuletzt sei das "gähnende Schweigen" zur Beerdigung von Shiri Bibas und ihren beiden Kindern aufgefallen, "die auch die deutsche Staatsangehörigkeit besessen haben und deren Schicksal unser aller Herzen zerrissen hat: ein Tiefpunkt deutscher Außenpolitik".

Die israelische Geisel Shlomi Ziv, links, umarmt Familienangehörige im Sheba Tel-HaShomer Medical Centre, nachdem er von der israelischen Armee aus der Gefangenschaft im Gazastreifen befreit wurde.  (dpa)
Die israelische Geisel Shlomi Ziv, links, umarmt Familienangehörige im Sheba Tel-HaShomer Medical Centre, nachdem er von der israelischen Armee aus der Gefangenschaft im Gazastreifen befreit wurde. / ( (Link ist extern)dpa )

"Bundespräsident viel wirkmächtiger"

Das anstehende Treffen von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit aus dem Gazastreifen befreiten Geiseln sowie Angehörigen noch Verschleppter an diesem Mittwoch in Schloss Bellevue wertete Schuster indes als ein positives Zeichen. 

Er lobte das Agieren des Staatsoberhaupts: "Seit seinem Besuch in Israel im November 2023 und durch seine guten Kontakte zum israelischen Staatspräsidenten Herzog hat der Bundespräsident einen Rahmen für Deutschland geschaffen, öffentlich viel wirkmächtiger für die Freilassung der Geiseln einzutreten - genutzt wurde das bedauerlicherweise nicht."

Zentralrat der Juden

Der Zentralrat der Juden ist die Spitzenorganisation der jüdischen Gemeinden in der Bundesrepublik. Unter seinem Dach sind 23 Landesverbände mit 105 Gemeinden und ihren rund 100.000 Mitgliedern organisiert. Der Rat wurde 1950 in Frankfurt am Main gegründet. Damals lebten noch etwa 15.000 Juden in Deutschland. Vor dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust waren es bis zu 600.000.

Zentralrat der Juden in Deutschland vergibt Leo-Baeck-Preis / © Christian Ditsch (epd)
Zentralrat der Juden in Deutschland vergibt Leo-Baeck-Preis / © Christian Ditsch ( (Link ist extern)epd )