Zollitsch und Schäuble begrüßen neues Vertriebenenzentrum

"Leiden nicht gegeneinander aufrechnen"

Die geplante Stätte sei ein wichtiger Beitrag zur Erinnerung, lobte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch. Schäuble sagte, damit würde ein lang gehegter Wunsch der deutschen Heimatvertriebenen erfüllt.

 (DR)

Die Bundesregierung hatte am Mittwoch einen Gesetzentwurf beschlossen, mit dem die Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" unter dem Dach des Deutschen Historischen Museums errichtet wird. Die geplante Dokumentationsstätte hatte insbesondere in Polen und Tschechien für Unmut gesorgt.

Streit gab es auch um die Besetzung des Stiftungsbeirats. Neben Vertretern von Bundesregierung, Bundestag, Kirchen und anderer gesellschaftlicher Gruppen soll der Bund der Vertriebenen drei Mitglieder benennen. Polen wehrt sich gegen eine Berufung der Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach (CDU).

Teil gesamtdeutscher Geschichte
Zollitsch befürwortete eine angemessene Beteiligung von Vertriebenenfunktionären in den Gremien des Zentrums. Er erhielt bei dem Festakt die Ehrenplakette des Vertriebenverbandes. Steinbach bekräftigte, der Verband werde über die Besetzung der Aufsichtsgremien selbst entscheiden. "Wer uns vertritt, das werden alleine wir bestimmen", sagte sie.

Die Bundesregierung verfolge dieses Projekt gemeinsam mit den Heimatvertriebenen und im Dialog mit den östlichen Nachbarn, sagte Minister Schäuble: "Ziel ist es, die Geschichte von Flucht und Vertreibung als Teil unserer gesamtdeutschen Geschichte angemessen zu würdigen."

Erika Steinbach unterstrich, für die Heimatvertriebenen sei es tröstlich, dass ihr Schicksal nicht vergessen sei, "sondern einen festen Ort im kollektiven Gedächtnis unseres Vaterlandes haben wird". Das Dokumentationszentrums sei ein weiterer Schritt zur Vollendung der Integration der Vertriebenen.

Vertreibungsgeschichte muss im Bewusstsein bleiben
Erzbischof Zollitsch hob hervor: "Alle Opfer von Vertreibungen und Genozid, von Menschenrechtsverletzungen jeder Art brauchen einen Platz im historischen Gedächtnis, auch die Millionen deutscher Heimatvertriebener." Die Vertreibungsgeschichte müsse "in aller Sachlichkeit, Wahrhaftigkeit und Sensibilität" im Bewusstsein bleiben. Die Dokumentationsstätte werde einer verkürzten Sicht auf die europäische Geschichte, vor allem die Geschichte des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges keinen Vorschub leisten. "Es will mahnen, nicht provozieren", sagte Zollitsch.

Die Erfahrung von Flucht, Vertreibung, gewaltsamer Umsiedlung und Zwangsarbeit sei für viele noch immer schmerzlich, sagte Zollitsch in Berlin. Er mahnte: "Es wäre grundfalsch, Leiden gegeneinander aufzurechnen."

Der Erzbischof wurde beim Tag der Heimat mit der Ehrenplakette des Vertriebenenverbandes geehrt. Zollitsch wurde 1938 in Filipovo im damaligen Jugoslawien geboren. Seine Familie floh am Ende des Zweiten Weltkriegs nach Deutschland.

Der bundesweite Gedenktag, der seit 1950 jährlich Anfang September vom Vertriebenenverband organisiert wird, steht in diesem Jahr unter dem Motto "Erinnern und Verstehen". Im Anschluss an den Festakt fand ein ökumenischer Gottesdienst statt, an dem neben Zollitsch und dem katholischen Weihbischof Gerhard Pieschl (Limburg) auch der anhaltische evangelische Kirchenpräsident Helge Klassohn mitwirkte. Klassohn ist Beauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Spätaussiedler und Heimatvertriebene.

Papst grüßt Vertriebene und betont Wert der Erinnerung
Papst Benedikt XVI. hat dem Bund der Vertriebenen (BdV) seinen Segen erteilt. Zugleich hob er in einem am Samstag in Berlin veröffentlichten Gruß zum «Tag der Heimat» die Bedeutung des diesjährigen Themas "Erinnern und Verstehen" hervor. Die Erinnerung sei eines der wesentlichen Merkmale des Menschseins überhaupt, so das Kirchenoberhaupt. Ihr komme in allen Religionen grundlegende Bedeutung zu. Der Papst betonte, er bete für die Teilnehmer am "Tag der Heimat".

Zugleich bat Benedikt XVI. um den Segen Gottes, der die Gläubigen zu einer Gemeinschaft in wahrem Frieden und echter Einheit führen möge. Diese Gemeinschaft überschreite Ländergrenzen und verbinde Sprachen und Kulturen.