Intensivmediziner forderten Länder und Kommunen auf, möglichst rasch viele Menschen in sozial benachteiligten Stadtteilen gegen Corona zu impfen, um die Krankenhäuser zu entlasten. "Auf den Intensivstationen liegen überdurchschnittlich viele Menschen aus ärmeren Bevölkerungsschichten, Menschen mit Migrationshintergrund und sozial Benachteiligte", sagte der wissenschaftliche Leiter des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Christian Karagiannidis, der "Rheinischen Post" (Freitag).
Auch Städte und Kommunen sprachen sich für ein derartiges Vorgehen aus. "Soziale Unterschiede dürfen nicht dazu führen, dass ein Teil der Menschen abgehängt wird, weil für sie der Zugang zu Impfungen zu schwer ist", sagte Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag). Um mehr Menschen individuell anzusprechen, müssten auch mobile Impfteams stärker eingesetzt werden. "Wo die Wohnsituation von Menschen beengt ist und es nur geringe Einkommen gibt, wo Menschen, zum Teil auch mit Migrationshintergrund, in sozial schwierigen Verhältnissen leben, müssen wir den Zugang zu Impfangeboten erleichtern."
Viele Städte hätten bereits in den vergangenen Wochen ihre Anstrengungen verstärkt, in sozial benachteiligten Quartieren intensiver über die Einhaltung von Hygienevorgaben zu informieren. "Nun geht es darum, auch das Impfen den Menschen dort stärker nahezubringen", so Dedy.
Mehrsprachige Informationen bereitstellen
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Staatsministerin Annette Widmann-Mauz (CDU), warb zudem für den systematischen Einsatz von Sprachmittlern bei Ärzten und in Krankenhäusern. "Das Problem der Sprachbarriere stellt sich ja unabhängig vom Pandemieverlauf in allen möglichen Bereichen der Gesundheitsversorgung", sagte sie der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Freitag). Auch in der Impfkampagne brauche es mehrsprachige Informationen.
Die Kommunen unterstützen ebenfalls Forderungen nach verstärkten Impfungen in sozialen Brennpunkten, wollen dabei aber nicht von der festgelegten Impfreihenfolge abweichen. "In sozialen Brennpunkten ist es wichtig, die dort lebenden Menschen gezielt zu informieren und mehrsprachige Informationen zur Impfung zur Verfügung zu stellen", sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, der "Rheinischen Post" (Freitag): "Zudem sollten die Menschen bei der Wahrnehmung ihrer Impftermine unterstützt werden. Eine Priorisierung und damit ein Abweichen von der Impfreihenfolge halten wir derzeit nicht für zielführend."
Gerade in Ballungsräumen sei die Mobilität zwischen Stadtteilen aus unterschiedlichen Gründen sehr hoch. "Die Auswirkungen von Priorisierungsimpfungen einzelner Stadtteile würden auch nur mit einigem Zeitverzug sichtbar, abhängig vom genutzten Impfstoff", sagte Landsberg. Laut einer Studie von Sozialwissenschaftlern des Marktforschungsinstituts Infas 360 weisen sozial benachteiligte Stadtteile in der Tendenz höhere Infektionszahlen auf als gut situierte.