Zum 100. Geburtstag des Taizé-Komponisten Jacques Berthier

Komponist des Einfachen

Mit Taizé verbinden viele Christen vor allem die berühmten Gesänge der 70er Jahre. Viele von ihnen stammen aus der Feder von Jacques Berthier. Der nahm sich selbst zurück, um etwas ganz Eigenes zu schaffen. Hymnen wie ein Pilzgericht.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Gesangsheft auf Meditationsbank in der Versöhnungskirche in Taize / © Katharina Gebauer (KNA)
Gesangsheft auf Meditationsbank in der Versöhnungskirche in Taize / © Katharina Gebauer ( KNA )

Ist es seine Herkunft aus dem burgundischen Auxerre, die Jacques Berthiers Musik so gut zu Taize passen ließ? Vor allem war es wohl seine Bereitschaft, als Komponist auf die große Geste zu verzichten und stattdessen einfache, eingängige Melodien im Dienst von Liturgie und Gebet zu schaffen.

Die Gesänge der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé in Burgund haben seit den 1970er Jahren Kirchengeschichte geschrieben. Ihr Schöpfer war nicht allein Jacques Berthier. Doch vor allem mit seinem Namen sind Gesänge wie "Bleibet hier und wachet mit mir" oder "Laudate omnes gentes" verbunden. Vor genau 100 Jahren, am 27. Juni 1923, wurde er geboren.

Eltern des Taizé-Gründers waren Musiker

Die Kirchenmusik wurde ihm buchstäblich in die Wiege gelegt. Vater und Mutter waren in Auxerre selbst Organisten und Chorleiter; Jacques' Kinderbett stand an der Wand neben dem Musikzimmer des Vaters. Hoch oben auf der Orgelempore und zwischen Kirchenchören wuchs der Junge auf; und er heiratete auch wieder in eine Kirchenmusikerfamilie.

Bei seinem Schwiegervater studierte er nach dem Krieg und wurde 1953 (unbezahlter) Organist an der Bischofskirche von Auxerre. Und obwohl er Mitte der 50er Jahre das Kurzwarengeschäft seines Onkels übernehmen musste, wollte Berthier doch immer seiner eigentlichen Profession nachgehen.

V.r.: Papst Johannes XXIII. mit Kardinal Augustin Bea, der erste Präsident des Sekretariates für die Einheit der Christen, Roger Schütz, Prior der Gemeinschaft von Taize, und Max Thurian.  / ©  Ernst Herb (KNA)
V.r.: Papst Johannes XXIII. mit Kardinal Augustin Bea, der erste Präsident des Sekretariates für die Einheit der Christen, Roger Schütz, Prior der Gemeinschaft von Taize, und Max Thurian. / © Ernst Herb ( KNA )

Eine Chance kam, als ihn 1955 der Jesuit und Psalmenexperte Joseph Gelineau (1920-2008) um Antiphonen bat - Berthiers erste Auftragskomposition und Veröffentlichung. Gelineau stand auch in Kontakt zur noch jungen Gemeinschaft von Taizé, die schon damals mit dem Wunsch einfacher Kompositionen auf Berthier zuging.

Konzil der Jugend - die Geburtsstunde der Hymnen

Doch der war einfach zu katholisch, so berichtete er später selbst amüsiert. Es wäre ihm damals schlicht noch nicht in den Sinn gekommen, für eine protestantische, wenn auch höchst ökumenisch gesinnte Gemeinschaft zu arbeiten. So fragte er bei seinem Erzbischof um Erlaubnis an, der ihm antwortete: "Zögern Sie nicht, das ist sehr gut!"

Jugendliche in Taizé 1971 / © Archiv (KNA)
Jugendliche in Taizé 1971 / © Archiv ( KNA )

Die eigentliche Geburtsstunde der "Gesänge von Taizé" war das sogenannte Konzil der Jugend im Sommer 1974. Die Gemeinschaft stellte fest, dass der gemeinsame Gesang von Tausenden Jugendlichen aus vielen Ländern nicht gut funktionierte. Jede Nation brachte zwar ihre Gesangstradition und ihre geistlichen Lieblingsstücke mit - doch die Jugendlichen aus anderen Ländern mussten wegen fehlender Kenntnisse von Sprache oder Melodie meist stumm daneben sitzen.

Auch Übersetzungen klappten nicht gut. Es brauchte also gemeinsame Lieder für eine betende, internationale Jugend der 70er Jahre. Eile beim Komponieren war geboten.

Konzil der Jugend von Taizé

Das "Konzil der Jugend" war eine geistliche Initiative der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé in den 1970er Jahren. Sie lief über mehrere Jahre und zielte darauf ab, Lebensweisen der modernen Gesellschaft zu überdenken und zu verändern.

Taize-Gebet auf dem 102. Deutschen Katholikentag 2022 in Stuttgart / © Julia Steinbrecht (KNA)
Taize-Gebet auf dem 102. Deutschen Katholikentag 2022 in Stuttgart / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Stilmittel der sich wiederholenden Melodien

Wichtigster Partner Berthiers dabei wurde der Taizé-Bruder und Arzt Frère Robert Giscard (1923-1993), eins der ersten sieben Mitglieder der Kommunität und Cousin des früheren französischen Staatspräsidenten Valery Giscard d'Estaing. "Einige Kanons wurden sogar telefonisch diktiert", erinnerte sich Berthier später.

Sein wichtigstes Stilmittel für die Taizé Gesänge: das Ostinato, eine sich stetig wiederholende Melodie oder ein Rhythmus, zunächst immer mit lateinischem Text. Dazu wurden in der Oberstimme Soli in einer oder mehreren lebendigen Sprachen gestellt.

Berthier komponierte für Taize 284 Gesänge. Für andere Gemeinschaften schuf er Hymnen, Psalmen, Antiphonen und Responsorien, so für die Zisterzienser von Citeaux oder für den Papstbesuch 1986 - insgesamt rund 1.200 Titel.

"Bisweilen höre ich schreckliche Gesänge"

Immer blieb er der Komponist des Einfachen: "Ich bin sehr auf die Liturgie ausgerichtet", sagte er am Ende seines Lebens: "Ich weiß nicht, wozu das nützen sollte, Konzertstücke für meine Organistenkollegen zu schreiben, die davon schon eine Menge haben." Berthier kritisierte die Kompliziertheit zeitgenössischer liturgischer Musik.

Wie sein Vater sammelte auch er auf dem Land Volkslieder mit eingängigen Melodien und schrieb sie auf. Das trug Früchte: "Einmal sagte ein Mönch zu mir, dass manche meiner Hymnen nach Pilzen schmecken."

Gleichwohl räumte der anspruchsvolle Ästhet ein, dass er oft enttäuscht und traurig war, wenn er seine Lieder gesungen hörte: "Bisweilen höre ich schreckliche Gesänge; aber ich sehe, dass die Menschen beten. Also sage ich mir, dass es vielleicht nicht so schlecht ist." Jacques Berthier starb am 27. Juni 1994, in der Nacht zu seinem 71. Geburtstag, in Paris.

Die Komponisten von Taizé

Viele Christen verbinden mit "Taizé" und der dortigen ökumenischen Gemeinschaft vor allem die berühmten Gesänge der 70er Jahre. Viele von ihnen stammen aus der Feder von Jacques Berthier (1923-1994). Wichtigstes Stilmittel für die "Gesänge von Taizé" ist das Ostinato, eine sich stetig wiederholende Melodie oder ein Rhythmus, zunächst immer mit lateinischem Text. Dazu wurden oft in der Oberstimme Soli in einer oder mehreren lebendigen Sprachen gestellt. Beispiele sind "Laudate omnes gentes", "Ubi caritas", "Nada te turbe" oder "Bleibet hier und wachet mit mir".

Liedheft für die Taizélieder. / © Melanie Trimborn (DR)
Liedheft für die Taizélieder. / © Melanie Trimborn ( DR )
Quelle:
KNA