Mahagonifarbenes Haar, elegante Kostüme und ein charmantes Lächeln sind ihr Markenzeichen. Am 29. Oktober wird die unermüdliche und mit höchsten Auszeichnungen bedachte Kämpferin für die jüdische Sache 90 Jahre alt. Zu ihrem Geburtstag wird sie sich vor Gratulanten kaum retten können.
Charlotte Knobloch ist aus dem öffentlichen Leben der Bundesrepublik und auch international nicht wegzudenken - und das seit Jahrzehnten. Obwohl sie nur wenige Jahre als Präsidentin den Zentralrat der Juden leitete, von 2006 bis 2010, ist sie weiter allgegenwärtig in allen Debatten, die sich um die Präsenz des Judentums in Deutschland wie um seine Gefährdungen drehen.
Holocaust-Überlebende
Dass sich Knobloch noch heute in ihrer Geburtsstadt München, in Bayern und Deutschland beheimatet fühlt, ist alles andere als selbstverständlich. Wie viele jüdische Menschen, die der Vernichtungsmaschinerie der Nazis entkamen, stand sie mehr als einmal vor der Frage: Bleiben oder gehen? Stets entschied sie sich fürs Bleiben, auch wenn es manchmal knapp war.
Den Holocaust überlebt die Tochter des Rechtsanwalts Fritz Neuland nur durch eine List: Eine ehemalige Hausangestellte ihres Onkels, eine Katholikin, nimmt sie 1942 mit in ihre fränkische Heimat und gibt sie dort als ihre uneheliche Tochter aus. Ihre geliebte Großmutter, bei der sie nach der Scheidung der Eltern aufgewachsen ist, wird im Konzentrationslager Theresienstadt ermordet.
Rückkehr nach Deutschland
Nach dem Krieg kehrt die junge Frau nach München zurück und heiratet 1951 den Kaufmann Samuel Knobloch, einen Überlebenden des Krakauer Ghettos. Die Auswanderung nach Amerika ist beschlossene Sache. Schnell absolviert sie noch eine Lehre zur Schneiderin, dann wird sie schwanger; die Ausreise fällt aus.
Wenn die kleine, resolute Frau heute aus dem Fenster des Jüdischen Gemeindezentrums am Jakobsplatz schaut, fällt der Blick auf ihren Stein gewordenen Lebenstraum: die neue Hauptsynagoge, deren Bruchsteinfassade an die Klagemauer des salomonischen Tempels erinnert - ein Stück Jerusalem mitten in München, der einstigen "Hauptstadt der Bewegung".
Die Grundsteinlegung für den Bau hat Knobloch bewusst auf den 9. November 2003 terminiert. 65 Jahre nach der sogenannten Reichspogromnacht soll dieses Datum für die langjährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern eine neue, zusätzliche Bedeutung erhalten, auch für sie persönlich: "Ich bin angekommen, ich habe meinen Koffer ausgepackt."
Gefragte Zeitzeugin
Erst im Sommer war die Jubilarin als Zeitzeugin gefragt: 50 Jahre Olympische Spiele in München galt es zu feiern, zu bedenken und die Opfer des Anschlags palästinensischer Terroristen auf die israelische Mannschaft zu betrauern. Ihre Tochter war bei den Spielen 1972 als Hostess im Einsatz, als die Nachricht von dem Attentat im Hause Knobloch eintraf: "Wir wussten nicht, wo sie ist."
Dass jüdisches Leben in Deutschland endlich wieder normal werden möge, ist ihr sehnlichster Wunsch. Für seine Realisierung setzt sie ihre ganze Kraft ein. Allen Rückschlägen zum Trotz. Personenschützer und die Sicherheitsschleuse am Eingang des Gemeindezentrums zeugen davon, dass das Ziel noch nicht erreicht ist.
Im Mai gab es wieder einen kleinen Fortschritt. Knobloch durfte als Gastgeberin die Konferenz der Europäischen Rabbiner in München begrüßen. Eine Premiere, bei der sich ihre jahrelange Überzeugungsarbeit auszahlte, wo sich jüdische Funktionäre im Ausland eine solche Zusammenkunft auf deutschem Boden lange nicht vorstellen konnten.
Scharfe Kritik an Rechtspopulisten
Doch es gibt auch Zeiten, in denen sich die Präsidentin an die dunkle Vergangenheit erinnert fühlt, sei es durch Wahlerfolge rechtspopulistischer Politiker in Deutschland oder Putins russischen Angriffskrieg auf die Ukraine: wieder ein Mann, der die Geschichte verdreht und Unglück über ganze Länder bringt.
Knapp 10.000 Mitglieder umfasst Knoblochs Gemeinde heute. Das sind etwa so viele jüdische Menschen, wie 1933 in München lebten. Als Präsidentin amtiert sie seit 1985. Vor einem Jahr wurde sie wiedergewählt.