Das betonte der Rat in einer am Donnerstag veröffentlichten Ad-Hoc-Empfehlung. Diese Sicherheit gebe es derzeit nicht, sagte Ratsmitglied Sigrid Graumann. Bisher gehe man nur von einer Verminderung des Infektionsrisikos durch die vorhandenen Impfstoffe aus. Der Rat äußerte sich zu der Frage, ob eine Impfung gegen Covid-19 zu besonderen Regeln für geimpfte Personen führen kann oder muss.
Tiefgreifende Einschränkungen müssten gut begründet werden
Aber auch Geimpfte, die nicht mehr infektiös sind, können nach Auffassungn der Ethiker einfache Präventionsmaßnahmen wie Abstandsregeln oder das Maskentragen zugemutet werden. "Wegen der Gefahr, dass die praktische Durchsetzbarkeit und Akzeptanz dieser Regeln durch Ausnahmen für geimpfte Personen leiden würde, sollten sie für alle Personen zum selben Zeitpunkt aufgehoben werden", empfiehlt das Gremium.
Tiefgreifende Einschränkungen des sozialen und wirtschaftlichen Lebens seien aber nur so lange gerechtfertigt, wie die Versorgung schwer erkrankter Covid-19-Patienten das Gesundheitssystem akut zu überlasten drohe, betont die Ratsvorsitzende Alena Buyx. "In dem Maße, in dem dieses Risiko erfolgreich gesenkt werden kann, müssen Maßnahmen der Pandemiebekämpfung, die gravierende Grundrechtseingriffe beinhalten, für alle zurückgenommen werden."
Buyx wandte sich grundsätzlich dagegen, in der Diskussion von "Privilegien" oder Vorteilsnahme durch Geimpfte zu sprechen. Das sei "verwirrend" und heize die Diskussion unnötig auf. Ausnahmeregelungen hält der Ethikrat allerdings für Pflege-, Senioren-, Behinderten- und Hospizeinrichtungen für möglich.
Stichwort Vertragsfreiheit
Die bestehenden gravierenden Isolationsmaßnahmen dort sollten für geimpfte Personen mit dem Fortschreiten des Impfprogramms angesichts der erheblichen Belastungen, welche diese Personengruppe bereits im Verlauf der Pandemie erlebt hat, schnellstmöglich aufgehoben werden, fordern die Ethiker. Rats-Mitglied Volker Lipp betonte, dass es auch hierbei nicht um Privilegien gehe, sondern um "eine Rücknahme der Sonderbelastungen".
Buyx unterstrich, dass bei der Frage nach Beschränkungen zwischen staatlichen Maßnahmen und dem Vorgehen privaten Anbieter unterschieden werden müsse. Bei der Frage, ob private Anbieter wie Restaurants oder Konzertveranstalter nur Geimpften den Zugang zu Waren und Dienstleistungen erlauben dürfen, verwies der Ethikrat auf die Vertragsfreiheit. Diese sei freilich nur wirksam, wenn nicht eine allgemeine staatlich Schließung verordnet sei.
Mit Blick auf Angebote, die für eine gleichberechtigte und grundlegende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben unerlässlich sind wie etwa der öffentliche Nahverkehr oder Lebensmitteläden, hält der Ethikrat Einschränkungen der Vertragsfreiheit weiterhin für möglich.