Seit Veröffentlichung einer bundesweiten Missbrauchsstudie für die evangelische Kirche im Januar haben sich bei der Landeskirche Braunschweig zwölf weitere Betroffene sexualisierter Gewalt gemeldet. Sie hätten Vorfälle aus den Jahren von 1949 bis 1998 geschildert, teilte die Kirche am Mittwoch in Wolfenbüttel mit. Außerdem sei es in zwei Fällen in jüngerer Zeit um Vorwürfe von Distanzverletzungen gegangen, die zu arbeits- und disziplinarrechtlichen Konsequenzen geführt hätten.
Fünf Betroffene wenden sich an Anerkennungskommission
Fälle von sexualisierter Gewalt würden konsequent Polizei und Staatsanwaltschaft übergeben, so die Kirche. Oft seien sie jedoch schon verjährt oder die Beschuldigten seien bereits gestorben.
Die Missbrauchsstudie für die evangelische Kirche und die Diakonie war Ende Januar von unabhängigen Forschern vorgestellt worden. Demnach fanden sich Hinweise auf 2.225 Betroffene und 1.259 Beschuldigte in kirchlichen Akten für die Jahre 1946 bis 2020. Weil die Landeskirchen nicht alle Akten auswerteten, gehen die Forscher jedoch von weit höheren Zahlen sowie zusätzlich von einem großen Dunkelfeld aus. Zudem stellten die Wissenschaftler Kirche und Diakonie im Umgang mit Missbrauchsfällen ein schlechtes Zeugnis aus.
Landesbischof: Betroffene in den Mittelpunkt stellen
Von den Betroffenen, die sich nun gemeldet haben, haben sich laut der braunschweigischen Landeskirche bislang fünf an die die Anerkennungskommission von Kirche und Diakonie in Niedersachsen-Bremen gewandt. Diese Kommission, die unter anderem mit externen Juristen besetzt ist, entscheidet, ob und in welcher Höhe Anerkennungsleistungen von der Kirche zu zahlen sind.
Die Landeskirche, zu der gut 280.000 evangelische Christen im südöstlichen Niedersachsen gehören, hat nach eigenen Angaben verschiedene Maßnahmen gegen sexualisierte Gewalt ergriffen. So habe 2023 eine Fachstelle ihre Arbeit aufgenommen, an die sich Betroffene wenden könnten. Jeder Fall sei einer zu viel, erklärte Landesbischof Christoph Meyns, denn er zerstöre Leben. "Die Kirche aber muss dafür sorgen, dass Menschen vor sexualisierter Gewalt geschützt und Betroffene in den Mittelpunkt gestellt werden."