Das Ökumenische Patriarchat in Istanbul ist geistliches Zentrum der orthodoxen Christenheit und repräsentiert rund 220 bis 300 Millionen Christen in aller Welt. Der Überlieferung zufolge gründete der Apostel Andreas den Bischofssitz von Byzantion, dem heutigen Istanbul. Die Residenz des Patriarchats wird nach dem Stadtviertel, in dem sie sich befindet, kurz Phanar (Fener) genannt.
Kaiser Konstantin (306-337) machte die Stadt am Bosporus zu seiner kaiserlichen Residenz Konstantinopel, dem "Neuen Rom". Die Konzilien von Konstantinopel (381) und Chalcedon (451) beschlossen eine Rangerhöhung der Kaiserstadt. Sie nahm demnach die zweite Stelle nach Rom ein und stand fortan im Rang vor den alten Patriarchaten Alexandrien, Antiochien und Jerusalem. Seit dem fünften Jahrhundert gilt Konstantinopel als Zentrum der Orthodoxie.
Nach der Spaltung zwischen Ost- und Westkirche 1054 wurde der Patriarch von Konstantinopel zum Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie. Seit 1991 ist dies Bartholomaios I. (78). Er hat aber im Gegensatz zum Bischof von Rom, dem Papst, keine umfassende Rechtsgewalt. Mächtigste und zahlenmäßig bei weitem größte Landeskirche ist die russisch-orthodoxe unter Leitung des Moskauer Patriarchen Kyrill I. (72).
Seit Konstantinopel 1453 erobert, in Istanbul umbenannt und dem Osmanischen Reich einverleibt wurde beziehungsweise spätestens seit dem griechisch-türkischen Bevölkerungsausgleich in den 1920er Jahren gleicht das Zentrum der Orthodoxie einer christlichen Insel in einer islamischen Umgebung.
Nach türkischer Rechtsauffassung ist der Patriarch lediglich geistliches Oberhaupt der in Istanbul verbliebenen griechisch-orthodoxen Restminderheit. Erst seit einigen Jahren wird dem Patriarchen Bartholomaios I. gelegentlich bei öffentlichen Anlässen sein Ehrentitel "Ökumenischer Patriarch" zugestanden. Der unbefriedigende Rechtsstatus der orthodoxen Christen belastet auch die Beziehungen der EU mit der Türkei.
(KNA)