Neue Ladenschlusszeiten in NRW - Kirchen und Gewerkschaften protestieren

So lasst das Einkaufen beginnen

Die Geschäfte in Nordrhein-Westfalen dürfen jetzt an Werktagen rund um die Uhr öffnen. Das neue Ladenöffnungsgesetz ist am Dienstag in Kraft getreten. Die Sonn- und Feiertage bleiben aber weitgehend geschützt. Die Oppositionsfraktionen von SPD und Grünen bekräftigten ihre Kritik und stimmten gegen die Neuregelung. Nordrhein-Westfalen ist das zweite Bundesland, das die neue Länderzuständigkeit für den Ladenschluss nutzt. In Berlin sind die neuen Öffnungszeiten bereits am Freitag in Kraft getreten. Die Kirchen in NRW üben heftige Kritik am neuen Gesetz und den Sonntagsschutz und Arbeitsschutz des Verkaufspersonals ausgehöhlt.

 (DR)

Kaufen am Adventssonntag?
Das neue Gesetz regelt die vollständige Freigabe der Ladenöffnungszeiten von montags bis samstags. An Sonn- und Feiertagen bleiben die Ladentüren wie bisher grundsätzlich geschlossen. Allerdings dürfen bestimmte Waren wie Blumen, Zeitungen und Backwaren verkauft werden. Die Kommunen können zudem vier verkaufsoffene Sonn- oder Feiertage pro Jahr genehmigen. Darunter darf ein Adventssonntag sein. Ausgenommen sind drei Adventssonntage, der erste und zweite Weihnachtsfeiertag, der Ostersonntag, der Pfingstsonntag sowie die so genannten stillen Feiertage wie Allerheiligen.

„Der hektische Einkauf nach Feierabend oder in der Mittagspause gehört damit der Vergangenheit an", betonte Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU). Auch die Fraktionen von CDU und FDP verteidigten die Neuregelung gegen die anhaltende Kritik. FDP-Wirtschaftsexperte Dietmar Brockes sprach von einem „Meilenstein". Mit dem Gesetz gebe die Koalition den Menschen mehr Freiheiten.

Heftige Kirchenkritik am neuen Ladenöffnungsgesetz
Die Kirchen in Nordrhein-Westfalen üben heftige Kritik am neuen Ladenöffnungsgesetz. Durch die Neuregelung würden der Sonntagsschutz sowie der Arbeitsschutz des Verkaufspersonals ausgehöhlt, erklärten die Leiter des Katholischen und des Evangelischen Büros, Prälat Karl-Heinz Vogt und Kirchenrat Rolf Krebs, am Donnerstag nach Verabschiedung des Gesetzes im Düsseldorfer Landtag. Das gesellschaftliche Leben werde stark beeinträchtigt. Ehrenamtliche Aktivitäten in Vereinen, Parteien und Kirchen würden eingeschränkt. Vogt: "In NRW wird ohne Not der Weg der Ökonomisierung aller Lebensbereiche fortgesetzt."

Die Kirchen hatten gefordert, den Ladenschluss an Werktagen auf spätestens 22.00 Uhr, an Samstagen auf 20.00 Uhr zu begrenzen. "Das ohnehin nicht gut entlohnte und oft auf diese Tätigkeit angewiesene Verkaufspersonal wird Spätdienste und Nachtarbeit leisten müssen, sogar in den Sonntag hinein", kritisierten Vogt und Krebs. Darunter würden auch die Familien leiden. "Der Sonntag ist für jeden gelaufen, der am Sonntag zwischen 1.00 und 2.00 Uhr nachts von der Arbeit zurückkehrt."

"NRW will sich weltoffen präsentieren"
Negativ bewerten die Kirchen auch die Sonderregelung für vier verkaufsoffene Sonn- oder Feiertage im Jahr. Da diese nicht für eine ganze Stadt festgelegt werden, sei zu befürchten, dass in Großstädten verschiedene Stadtteile an unterschiedlichen Sonntagen die Regelung beanspruchten und sich die Zahl dadurch erhöhe. Eingeschränkt worden sei lediglich der ganzjährige Sonn- und Feiertagsverkauf in Bahnhöfen. "Der Verkauf fast aller Waren in Flughäfen wird zukünftig an allen Sonn- und Feiertagen im Jahr sanktionslos möglich sein", erklärten die Kirchenvertreter. "So will sich Nordrhein-Westfalen weltoffen präsentieren."

Vogt und Krebs sagten, es sei "nicht mehr als ein Feigenblatt", dass die Landesregierung die Auswirkungen des neuen Ladenöffnungsgesetzes bis Ende 2011 überprüfen solle. Die Diözesen und Landeskirchen hatten in Anhörungen und Briefen vehement gegen das Gesetz protestiert. "Kleinere Korrekturen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf zur Einschränkung des Verkaufs an Sonn- und Feiertagen können das bedrückende Fazit nicht ansehnlicher machen", hieß es nun.

KAB ruft zum bundesweiten Kampf für freien Sonntag auf
Weitere Aktionen für den Schutz der Beschäftigten im Einzelhandel hat die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands (KAB) nach der gestrigen Verabschiedung des neuen Ladenöffnungsgesetzes für Nordrhein-Westfalen angekündigt. „Mit der Entscheidung des Landtages in Düsseldorf hat sich ein weiteres Parlament nach Berlin und Hessen in die Reihe der familienunfreundlichen Bundesländer eingereiht und sich von den Schutzrechten für Arbeitnehmer verabschiedet", erklärte Georg Hupfauer, Bundesvorsitzender der KAB Deutschlands.

Als zynisch bezeichnete der Vorsitzende des katholischen Sozialverbandes die Umbenennung des einstmals bundesweit geltenden Ladenschluss- in Ladenöffnungsgesetz. „Damit wird deutlich, dass es den Ministerpräsidenten Roland Koch und Jürgen Rüttgers um die Einführung einer Rund-um-die-Uhr-Gesellschaft geht, in der die Beschäftigten zu einer reinen Verfügungsmasse reduziert wer-den", so Hupfauer. Nicht mehr die Schutzrechte der Beschäftigten und ihrer Familien stehen im Vordergrund des Gesetzes, sondern der radikale ökonomische Zugriff auf die Arbeitskraft Mensch.

Schweizer-Käse-Gesetz
„Auch der Schutz des Kulturgutes Sonntag wird mit dem Ladenöffnungsgesetz zum Schweizer Käse", betonte Hupfauer. Er bezeichnete die bisher verabschiedeten Ländergesetze als löchrig und schwammig und als „Einfalltor zum sonntäglichen Shopping". „Die zahlreichen Ausnahmeregelungen sind kein Hemmnis am Sonntag, die Läden nicht zu öffnen, sondern Aufforderung das Gesetz zu umgehen und den Sonntagsschutz auszuhebeln", kritisierte der Vorsitzende. Er verwies auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, wonach eine über den gegenwärtigen Stand hinausgehende Freigabe der Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen auch dem Landesgesetzgeber verwehrt bleibt. „Mit dem schwammigen Gesetz ignoriert NRW die Karlsruher Vorgabe vom August 2006".

Die KAB verweist auf die Stellungnahme der Bischöfe zu dem Urteil, in der „weder wirtschaftliche Interessen noch ein verändertes Freizeitverhalten in Teilen der Gesellschaft eine Aushöhlung und Beschädigung dieses kulturellen Wertes" rechtfertigen. Mit bundesweiten Aktionen des 200.000 Mitglieder starken Sozialverbandes hatten die Frauen und Männer der KAB in den einzelnen Bundesländern versucht, das bestehende Ladenschlussgesetz zu erhalten. KAB-Bundesvorsitzender Georg Hupfauer rief die Mitglieder von Sport- und Freizeit-Vereinen sowie Initiativen und ehrenamtlich tätige Organisationen auf, sich dem Bündnis „Allianz für den freien Sonntag" anzuschließen.

Mehr zum Thema