Stammzelldebatte geht in die entscheidende Phase - Bundestag entscheidet am Freitag

Woche der Wahrheit

Wenige Tage vor der Bundestagsentscheidung haben rund 30 Prozent der 613 Abgeordneten ihre Haltung zur Zukunft des Stammzellgesetzes noch nicht formal festgelegt. Die Gegner einer Stichtagsverschiebung im geltenden Gesetz warben am Montag in Berlin für ihren Kurs und warnten vor einer Einschränkung der Menschenwürde zugunsten der Forschungsfreiheit. Derweil bekräftigte Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) ihre Forderung nach einer Stichtagsverschiebung im Stammzellgesetz. Bischöfe beider Kirchen appellierten dagegen, eine Ausweitung der Stammzellforschung zu verhindern. Der Kölner Kardinal Meisner warnte er vor einem "Kompromiss auf Kosten der Schwächsten".

 (DR)

Am Freitag soll der Bundestag entscheiden, ob die Forschung an embryonalen Stammzellen in Deutschland beibehalten, ausgeweitet oder eingestellt werden soll. Derzeit dürfen Forscher in engen Grenzen embryonale Stammzellen verwenden, die vor dem Stichtag 1. Januar 2002 im Ausland entstanden. Als Unterstützer einer einmaligen Verschiebung oder eines völligen Wegfalls des geltenden Stichtags legten sich 263 Abgeordnete fest; 167 Mandatsträger entschieden sich gegen eine Liberalisierung. Von 183 Abgeordneten fehlt bislang eine formale Festlegung.

Priska Hinz (Grüne), Julia Klöckner (CDU), Wolfgang Thierse (SPD) und Hans-Michael Goldmann (FDP), die die jetzige Regelung beibehalten wollen, erklärten, es sei noch keine Vorentscheidung gefallen. Sie sagten, die geltende Stichtagsregelung habe sich bewährt und warnten vor einer Ausbeutung von Frauen als Eizellspenderinnen. Entschieden wiesen sie den von Befürwortern der Forschung an embryonalen Stammzellen verwendeten Begriff der Ethik des Heilens zurück.

Schavan sagte, auch jene Wissenschaftler, die von der Forschung mit Stammzellen aus menschlichen Embryonen wegkommen wollten, seien derzeit zwingend auf neuere embryonale Stammzellen angewiesen. Nach ihrer Ansicht ändere eine Verschiebung des Stichtags auf Mai 2007 nicht die Substanz des Gesetzes, betonte sie in einem Interview der Tageszeitung «Die Welt».

Dagegen rief der Kölner Kardinal Joachim Meisner die Abgeordneten auf, eine Lockerung des Stammzellgesetzes abzulehnen. Im Rahmen der Initiative "Deine Stammzellen heilen" warnte er vor einem «Kompromiss auf Kosten der Schwächsten». Ähnlich äußerte sich dort der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein. Die Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen setze die Tötung des Embryos voraus. Diese Verzweckung und Instrumentalisierung sei mit dem biblisch-christlichen Verständnis vom Menschen nicht zu vereinbaren. Auch der Konvent evangelischer Theologinnen in Deutschland nannte eine Verschiebung des Stichtages nicht vertretbar.

Besonders in der Unionsfraktion gibt es noch Kontroversen über das Thema. So sind nach Angaben Klöckners innerhalb der Fraktion unter anderem die Landesgruppen Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mehrheitlich gegen eine Lockerung des geltenden Gesetzes.

Dem Bundestag liegen vier Gesetzentwürfe oder Anträge vor. Sie reichen von einer breiten oder begrenzten Liberalisierung über eine Beibehaltung des jetzigen Gesetzes bis zum Verbot jeglicher Forschung mit embryonalen Stammzellen.


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