Eine Woche vor dem Referendum am 18. September liegen die Befürworter der Unabhängigkeit Schottlands in einer Umfrage erstmals mit 51 Prozent vorne. Schottlands katholische Kirche verhält sich öffentlich neutral zu der Unabhängigkeitsabstimmung. Die 4,2 Millionen Wahlberechtigten sollten in "völliger Freiheit" entscheiden, was ihrer Meinung nach das Beste für das Land sei, so die Erzbischöfe Leo Cushley (53) von Edinburgh und Philip Tartaglia (63) von Glasgow. Die Teilnahme am Referendum aber bezeichnen beide als "Bürgerpflicht".
Bischöfe: Mehr Engagement von Katholiken in schottischer Gesellschaft
"Weiter am gesellschaftlichen Diskurs teilnehmen" Unabhängig vom Ergebnis sollten sich die rund 750.000 Katholiken unter den 5,3 Millionen Einwohnern Schottlands aber auch künftig am Gesellschaftsdiskurs beteiligen. Vor allem gehe es darum, die Gemeinschaft an der Botschaft und den Werten des Christentums teilhaben zu lassen, um das Land zu einem "gerechten, friedlichen und blühenden Ort" zu machen, betonen die derzeit sieben Bischöfe aus den acht Diözesen (Argyll and the Isles seit Ende April vakant), die traditionell eine eigene Schottische Bischofskonferenz bilden.
Seit der schottische König Jakob VI. (1566-1625) im Jahr 1603 zugleich König James I. von England wurde, gehören beide Landesteile auf der Insel im nördlichen Atlantik zusammen. Mit dem Unions-Vertrag von 1706 gewann aber Schottland einen großen Teil seiner Eigenständigkeit zurück: Seither gibt es eine eigene Gesetzgebung, ein eigenes Schulsystem und - mit der presbyterianischen Church of Scotland - eine eigene Nationalkirche. In dieser ist der britische Monarch nur einfaches, wenn auch geachtetes Mitglied.
Keine homogene Region
Der Norden ist allerdings keine homogene Region. Er unterscheidet sich nicht nur von England und Wales, u.a. durch sprachliche Besonderheiten, sondern auch in sich. Die Teilung zwischen High- und Lowland geht bereits zurück bis in die Römer-Zeit. Den Lowland-Bewohnern waren und sind die Nachbarn im Highland gleich aus mehreren Gründen suspekt: Die Menschen dort sprechen Gälisch, sie gehören mehrheitlich der katholischen Kirche an und sie sympathisieren seit dem 18. Jahrhundert mit dem Traum von der Wiedererrichtung der Stuart-Dynastie. Noch unterschiedlicher sind die Inseln Orkney und Shetland, ursprünglich norwegische Provinzen. Vor allem Shetland mit seinen Erdölvorkommen nährt die schottischen Unabhängigkeitsträume.
Mit dem nunmehr knappen Vorsprung ist Schottlands Erster Minister (Regierungschef) Alexander Salmond (59), der die Abstimmung initiiert und durchgesetzt hat, seinem Ziel denkbar nahe. Das politische London ist aufgeschreckt und will Edinburgh dem Vernehmen nach mit einem weitreichenden Angebot zum Verbleib (vor allem mehr Selbstständigkeit in Steuerfragen) entgegenkommen.
Heftige Debatten
Während der zweieinhalbjährigen Kampagne haben sich die separatistischen Nationalisten und Unionisten, die für den Zusammenhalt des United Kingdom eintreten, emotional aufgeladene Debatten geliefert. Jetzt sprechen besorgte Beobachter bereits von der Notwendigkeit eines "Versöhnungsprozesses" nach dem 18. September.