"Wir befürchten jetzt allerdings, dass das wichtige Anliegen, Familien mit kleinen Kindern in besonderer Weise zu unterstützen, unter den Tisch fällt und die für das Betreuungsgeld eingeplante Summe nicht mehr den Familien zu Gute kommt", sagte Caritas-Präsident Peter Neher. Er schlägt daher vor, das Elterngeld und das Betreuungsgeld zu einer einkommensunabhängigen Leistung für alle Familien zusammenzuführen.
"Alle Familien sollten unabhängig von der Art der Kinderbetreuung in den ersten drei Jahren nach der Geburt eines Kindes 300 Euro monatlich zusätzlich zum Kindergeld und Sozialgeld erhalten", fordert Neher. Wer nur kurz aussetzen möchte, könnte sich einen höheren Betrag in einem kürzeren Zeitraum auszahlen lassen.
Gegenseitiges Ausspielen von "Betreuungsgeld oder Kita"
Es sei nicht richtig, die Eltern vor die Alternative "Betreuungsgeld oder Kita" zu stellen. Familien müssten Wahlmöglichkeiten haben. Dazu gehöre auch, dass gute Betreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, der Beruf der Erzieherin aufgewertet und weiter in die Qualität der öffentlich geförderten Kinderbetreuung investiert wird. Die Caritas plädiert hier für bundesweit gültige Qualitätsstandards.
Auch der Familienbund der Katholiken fordert weiterhin eine „angemessene finanzielle Unterstützung der Familien“. Dessen Präsident Stefan Becker plädierte ebenfalls für eine Reform des Elterngeldes mit einer zeitlichen Verlängerung des Bezugs. Zudem sollten das Kindergeld „deutlich“ angehoben und bundeseinheitliche Qualitätsstandards in Kitas geschaffen werden.
BVerfG: Zuständigkeit nicht beim Bund
Das Bundesverfassungsgericht hat das 2013 beschlossene Betreuungsgeld für verfassungswidrig erklärt. Dem Bund fehle die Gesetzgebungskompetenz für die familienpolitische Leistung, heißt es in dem am Dienstag in Karlsruhe verkündeten Urteil. Zuständig für ein Betreuungsgeld seien die Länder, nicht der Bund. (Aktenzeichen: 1 BvF 2/13)
Die Verfassungsrichter gaben damit der Normenkontrollklage Hamburgs gegen die Bundesregierung statt. Das Urteil wurde einstimmig gefällt. Damit können Eltern ab sofort keine neuen Anträge auf Betreuungsgeld stellen. Bereits bewilligte Zusagen könnten aber Bestandsschutz haben. Derzeit beziehen etwa 460.000 Eltern Betreuungsgeld. Sie erhalten 150 Euro monatlich, wenn ihr zwischen 15 und 36 Monate altes Kind keine öffentlich geförderte Kinderbetreuung in Anspruch nimmt.
Für 2015 sind im Bundeshaushalt rund 900 Millionen Euro für das Betreuungsgeld eingeplant.
Familienministerin Schwesig erfreut über Urteil
Hamburg begrüßte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Die Klage der Hansestadt gegen das Gesetz sei "wichtig und notwendig" gewesen, sagte Justizsenator Till Steffen (Grüne). "Es kann nicht sein, dass ein solches Gesetz ohne Rücksicht auf die bundesstaatliche Kompetenzordnung nur deshalb beschlossen wird, weil einer der Koalitionspartner es so will." Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sprach von einer Stärkung des Föderalismus.
Auch Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) zeigte sich erfreut über das Urteil. "Ich freue mich, dass wir nun Klarheit haben", sagte Schwesig am Dienstag in Berlin. Die Entscheidung zeige, das Betreuungsgeld sei der falsche Weg und habe keine Zukunft.
Schwesig erklärte, die freiwerdenden Mittel sollten Kindern und Familien zugutekommen, etwa durch eine verbesserte Kinderbetreuung. Außerdem werde sie nach einer Lösung suchen, damit Familien, die das Betreuungsgeld bereits bezögen, es bis zum Ende bekommen. Über die weitere Umsetzung werde sie sich mit den Regierungsfraktionen am 13. August beraten.
Bayern will Betreuungsgeld weiterführen
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) twitterte nach der Urteilsverkündung, er werde „so schnell wie möglich“ das Betreuungsgeld in Bayern einführen. Es sei bedauerlich, dass das Bundesverfassungsgericht die Leistung aus formalen Gründen als verfassungswidrig erklärt habe. Bayern halte trotzdem weiter an der Hilfe fest.