Stephanuskreis zu möglichen Übergriffen auf Christen in Flüchtlingsheimen

Keine Bedrohungslage

Die Klarstellung kam diese Woche von den beiden großen Kirchen in Deutschland: In Flüchtlingsunterkünften gebe es nach eigenen Recherchen keine massenhaften Übergriffe auf Christen. Eine Einschätzung des Stephanuskreises.

Polizist begleitet Flüchtlinge / © Nicolas Armer (dpa)
Polizist begleitet Flüchtlinge / © Nicolas Armer ( dpa )

domradio.de: Der Stephanuskreis der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist ein überkonfessionelles Gesprächsforum, das für Toleranz und Religionsfreiheit eintritt und sich um die Situation verfolgter Christen in aller Welt sorgt. Müssen Sie sich im Stephanuskreis auch um die Christen in deutschen Flüchtlingsunterkünften kümmern?

Prof. Heribert Hirte (CDU-Politiker und Vorsitzender des Stephanuskreises): Wir sehen uns diese Lage ganz genau an. Als wir Ende des vergangenen Jahres erstmals diese Berichte gehört haben, wurden mehrere Sitzungen anberaumt und die entsprechenden Vertreter eingeladen, unter anderem auch den Vorsitzenden des Zentralrats der orientalischen Christen in Deutschland, um uns schildern zu lassen, welche Diskriminierungsfälle es gibt. Unser Eindruck war, dass es solche Fälle gibt, allerdings nicht massenweise.

domradio.de: Die obersten Vertreter der beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, und der EKD-Vorsitzende Heinrich Bedford-Strohm haben sich zum Thema geäußert und konstatiert, es gebe "keine flächendeckende Diskriminierung von Christen". Wie will man solch einen Tatbestand eigentlich belegen oder widerlegen?

Hirte: Das ist eine der großen Schwierigkeiten. Wir haben auf der Grundlage der Berichte, die wir erhalten haben, versucht, den Fällen nachzugehen, die uns geschildert wurden. Wir haben dann auch auf eigenen Faust versucht, zu ermitteln, was wir als Bundestagsabgeordnete allerdings nur begrenzt können. Es gab einen Austausch mit den Vertretern der Flüchtlingsheimorganisationen und Repräsentanten von Flüchtlingen. Ich selber habe auch Flüchtlingsunterkünfte in Köln und Berlin besucht und mit vor Ort wohnenden Christen schildern lassen, wie sie ihre Lage empfinden. Da war von einer Bedrohungssituation nicht die Rede.

Die Fälle, die zum Teil durch die Presse gingen und die wir versucht haben zu recherchieren, waren deutlich komplizierter als es in den ersten Meldungen schien. Wir haben einen Fall genannt bekommen, in dem es zwischen einem Christen und einem Moslem bei der Essensausgabe zum Streit gekommen sei. Der Christ habe dabei kein Essen mehr ausgeteilt bekommen. Wir haben dann aber gehört, dass der Christ anderthalb Stunden zu spät zur Essensausgabe gekommen sei. In den Flüchtlingsheimen gibt es aber ganz strenge Regeln, die Ordnung einzuhalten, und somit darf außerhalb der festgelegten Zeiten kein Essen mehr ausgegeben werden. Das führte dann zu einer Eskalation, die darauf zurückgeführt wurde, dass der Christ hier bedrängt worden sei. Die Ansichten anderer Personen, die bei der Auseinandersetzung dabei waren, konnten das in dieser Weise nicht bestätigen. Ob nun vielleicht die Regel, die es dort im Flüchtlingsheim gibt, zu streng ausgelegt wurde oder auch nicht, lässt sich im Nachhinein nicht richtig beurteilen. Andererseits wissen wir, dass es in Flüchtlingsheimen ständig zu Unregelmäßigkeiten kommt. Es ist aber für die Ordnung in Flüchtlingsunterkünften von immenser Bedeutung, dass die Regeln eingehalten werden.

domradio.de: Wir fragen uns jetzt, welchen Hintergrund Gewalt und Bedrohung in Flüchtlingsunterkünften haben. Den betroffenen Flüchtlingen ist der Grund möglicherweise ziemlich egal - sie wollen einfach nur, dass Übergriffe aufhören. Wie kann man dafür Sorge tragen? Da müssten ja auch die Unterkünfte eine Vorreiterrolle spielen können, die in kirchlicher Betreuung sind - also von den Maltesern oder den Johannitern zum Beispiel?

Hirte: Es gibt viele Ursachen für Gewalt. Gerade das Thema Essensausgabe in der Zeit des Ramadans war eine ganz schwierige Angelegenheit, was auch die den Ramadan praktizierenden Moslems von den nicht den Ramadan praktizierenden Moslems trennte. Wir sagen, wir müssen für Ruhe und Ordnung in den Flüchtlingsheimen insgesamt sorgen und uns darum kümmern, dass alle Gruppen, die aus irgendeinem Grund bedrängt werden, beschützt werden. Zu diesem Kreis gehören Frauen, kleine Kinder und auch Homosexuelle.

Deshalb ist das Konzept der Schutzräume, was gerade auch in christlichen Unterkünften diskutiert wird, ein wichtiger Punkt. Diejenigen, die bedrängt wurden, sollen in einen Schutzraum können und sich zurückziehen können. Es gibt Punktelisten für alle diejenigen, die sich an Schlägereien beteiligt haben. Dabei spielt der Grund keine Rolle. Diese Liste führt bei entsprechender Punktzahl dazu, dass Flüchtlinge die Unterkunft verlassen müssen. Das sind einige Ansätze, die wir diskutieren.

Umgekehrt lehnen wir nach ausführlicher interner Diskussion jedoch eine getrennte Unterbringung nach Religionen ab. Denn damit würde das fortgesetzt, was wir in Deutschland nicht haben wollen: nämlich einen Kampf der Religionen gegeneinander. Wir wollen das friedliche Zusammenleben der Religionen erreichen. Das würde, wenn wir auf diese Weise vorgehen würden, konterkariert. Wir müssen die Menschen, die zu uns kommen, darüber aufklären, dass hier unterschiedliche Religionen praktiziert werden und dass die Menschen trotz ihrer unterschiedlichen Religionen miteinander auskommen müssen. Das fängt in den Flüchtlingsheimen an.

domradio.de: Muss man es denn Ihrer Meinung nach in Kauf nehmen, dass es immer wieder zu solchen Spannungen kommt, die religiös motiviert sind?

Hirte: Wir sagen, wenn es zu einem Streit kommt, dann muss der Streit geschlichtet werden und wer bedroht wird, muss der Bedrohung entzogen werden. Ich würde eine Auseinandersetzung nicht automatisch an der Religion festmachen. Das kann mit religiösen Motiven zu tun haben, aber es hat in vielen Fällen mit anderen Beweggründen zu tun.

Wir sehen auch, dass es ganz unterschiedliche Religionszugehörigkeiten auf allen Seiten gibt. Es gibt Atheisten, wir haben unterschiedlichen Richtungen zugehörige Moslems und wir haben auch ganz unterschiedlich ausgerichtete Christen in Flüchtlingsheimen. Diese alleine alle in ihrer Identität festzustellen, ist sehr schwierig. Ein erheblicher Teil der betroffenen Christen sind solche, die entweder häufig im Iran und teilweise auch in Deutschland zum Christentum konvertiert sind. Anders als wir uns das in Deutschland vorstellen, gibt es keine Urkunden darüber, dass jemand, der aus dem Iran kommt, Christ ist oder nicht. Das macht es natürlich für einen Flüchtlingsheimbetreiber in der Situation äußerst schwierig. Man müsste innerhalb von Minuten feststellen, ob der eine nun der einen Religion angehört und der andere einer anderen. Deshalb wollen wir jetzt zusehen, dass das Überwachungspersonal etwas neutraler ausgewählt wird, weil wir hören, dass es dort doch auch Einseitigkeiten in der ethnischen Zusammensetzung geben könnte, die zu solchen Konflikten beiträgt.

Das Interview führte Daniel Hauser.


Prof. Heribert Hirte / © Gregor Fischer (dpa)
Prof. Heribert Hirte / © Gregor Fischer ( dpa )
Quelle:
DR