Der Nahostkonflikt hat seit Jahrzehnten die Region fest im Griff. Immer wieder gibt es Auseinandersetzungen. Erst Ende Juli war es rund um den Jerusalemer Tempelberg zu Zusammenstößen zwischen Israelis und Palästinensern gekommen. Während dort die Fronten verhärtet und Gespräche eher selten sind, treffen sich fern ab ihrer Heimat knapp 120 junge Palästinenser und Israelis, um miteinander ins Gespräch zu kommen.
Projekt "Ferien vom Krieg"
Sie nehmen am Projekt "Ferien vom Krieg - Dialog über Grenzen hinweg" des Komitees für Grundrechte und Demokratie teil. Jeweils zwei Wochen lang sprechen sie in der Jugendakademie Walberberg zwischen Köln und Bonn über die Konfliktgeschichte und die aktuelle Situation ihrer Länder. Das erste der beiden Seminare ist ein reines Frauenseminar.
Die beiden jungen Frauen, die von ihrem Leben erzählen, wollen ihre Namen nicht nennen und anonym bleiben. Denn sie fürchten Anfeindungen und die Reaktionen von Familie und Freunden. "Viele Teilnehmer erzählen nur ihren engsten Angehörigen, weshalb sie wirklich in Deutschland sind", erklärt Projektreferentin Tessa Pariyar.
Allgegenwärtiger Konflikt
Für die palästinensische Teilnehmerin, die in Jerusalem wohnt, ist der Konflikt allgegenwärtig. Schon die Reise nach Deutschland war problematisch. Als die Flughafenmitarbeiter ihren Pass sahen, dauerte es plötzlich viel länger, bis sie endlich im Flugzeug saß, wie sie erzählt. Auch von den Zusammenstößen rund um den Tempelberg war sie persönlich betroffen. Ihr Vater habe ein kleines Geschäft in Jerusalem. Das habe er schließen müssen. Gerade jetzt in der Sommersaison habe das zu finanziellen Einbrüchen geführt. "Und wenn ich meine Großeltern in Ramallah besuchen will, brauche ich drei bis vier Stunden wegen der Kontrollen." Dabei sei die Strecke eigentlich in 30 Minuten zu bewältigen.
Solche Einschränkungen im alltäglichen Leben kennt die Israelin nicht. Dennoch spürt auch sie die Auswirkungen des Konflikts. Eine konstante Angst durchziehe ihr Leben, sagt sie. Als sie vor drei Jahren eine Reise nach Washington gemacht habe, habe sie sich das erste Mal wie ein freier Mensch ohne Angst gefühlt und bewegen können, erzählt sie. Sie nehme auch immer mehr Gräben in der Gesellschaft war. "Die Gesellschaft wird aggressiver, rassistischer."
Im Seminar treffen Lebensgeschichten wie die der beiden jungen Frauen aufeinander. "Ich bin stolz, hier zu sein und mein Land zu vertreten", sagt die Palästinenserin. In den Diskussionen versuche sie, Aspekte anzusprechen, die die Gegenseite nicht sehe. In den Gesprächsgruppen gehe es aber nicht darum, eine "pinke Welt" zu malen.
Nicht nur gemeinsames Kaffeetrinken
Seit knapp 25 Jahren finden die sogenannten Dialogseminare in Deutschland statt. Während des Krieges im ehemaligen Jugoslawien wurden Flüchtlings- und Waisenkinder an die Adria eingeladen, um den Kriegswirren zu entkommen, erklärt Pariyar. Daher komme der Name "Ferien vom Krieg". Mit der Zeit entstanden die Dialogseminare, an denen Jugendliche unterschiedlicher Völkergruppen teilnahmen. Seit 2002 kommen junge Menschen zwischen 20 und 30 Jahren aus Israel und Palästina nach Deutschland. "Es geht hier nicht darum, zusammen Kaffee zu trinken, zwei angenehme Wochen zu verbringen, und danach ändert sich nichts", so die Projektreferentin.
Das merken auch die beiden jungen Frauen. Manchmal seien die Diskussionen sehr hart, berichtet die Israelin. Der Konflikt sei so komplex, es gebe so viele Dinge, über die man sprechen müsse. Sie beobachte auch, dass sich im Laufe der Gespräche Meinungen der Teilnehmer änderten. "Es gibt eine Entwicklung in den Diskussionen." Sie selbst wolle zuhören und den Mantel der Angst, der sie im Griff habe, dadurch ablegen.
Wegen der Seminare werde der Konflikt nicht beendet, so Pariyar. "Aber wenn wir vielleicht mit einem kleinen Teil zu einer Veränderung beitragen, dann hat es sich schon gelohnt." Dass sie verändert und als andere Menschen wieder zurück in ihre Länder reisen - darin sind sich die Israelin und die Palästinenserin einig.