"Wir haben kein Recht dazu, uns noch einmal ein Scheitern auf diesem Weg des Friedens und der Versöhnung zu erlauben!" – Mit diesen eindringlichen Worten ermahnte Papst Franziskus im Jahr 2015 bei seinem Besuch auf Kuba die Kolumbianischen Konfliktparteien.
Vier Jahre lang hatten die größte Guerillaorganisation des Landes FARC und die Regierung verhandelt und sich am Ende tatsächlich auf einen Friedensvertrag geeinigt. Jetzt, ein Jahr später, will Franziskus mit seiner Reise nach Kolumbien diesen fragilen Friedensprozess stärken.
An diesem Mittwoch wird der Papst in Kolumbien erwartet und Oscar Urbina, Vorsitzender der kolumbianischen Bischofskonferenz, nennt seinen Besuch "ein Geschenk der Vorsehung", denn mit dem Abkommen sei ein erster Schritt zum Frieden getan worden, sagt er.
"Dringend nötig ist nun aber auch eine Versöhnung der Gesellschaft. Und dabei können wir als Kirche eine entscheidende Rolle spielen." Er hofft, dass auch der Papst dazu wichtige Impulse geben kann, weil er von allen als Gesprächspartner anerkannt wird, sowohl von Befürwortern als auch von Gegnern des Friedensvertrags.
Wie steht die Kirche zum Friedensvertrag?
Unterschiedliche Positionen zum Friedensprozess gibt es auch in Kolumbiens katholischer Kirche. Als im Herbst vergangenen Jahres das kolumbianische Volk über den Friedensvertrag abstimmen sollte und ihn mit knapper Mehrheit ablehnte, gab es auch Kritik an der Kirche.
Denn die Bischofskonferenz hatte im Vorfeld nicht explizit dazu aufgerufen, für das Abkommen zu stimmen. Sie habe nicht genug Mut und Engagement gezeigt, findet der Befreiungstheologe Jaime Díaz: "Leider gibt es sogar Bischöfe, die gegen das Friedensabkommen sind – aus Unwissenheit, Desinteresse oder weil sie dem konservativen politischen Lager des Expräsidenten Alvaro Uribe nahestehen."
Bischof Urbina weiß um solche Kritik. Er rechtfertigt die Zurückhaltung der Kirchenspitze vor dem Referendum: Die Gesellschaf sei damals stark polarisiert gewesen, sagt er, eine Parteinahme der Kirche wäre falsch gewesen. "Die Wunde im Herzen der Kolumbianer ist groß, acht Millionen Opfer hat der bewaffnete Konflikt gefordert. Mit einem Aufruf für das "Ja!" hätten wir das Land noch tiefer gespalten."
Kein politischer Besuch
Deshalb bemühen sich die kolumbianischen Bischöfe auch, einer politischen Auslegung oder gar Instrumentalisierung der Papstreise vorzubeugen: Es handle sich um einen rein pastoralen Besuch, hieß es im Vorfeld immer wieder. Staatspräsident Juan Manuel Santos wird der Papst lediglich einen Höflichkeitsbesuch zu Beginn der Reise abstatten.
Vielmehr will Franziskus starke Zeichen für Versöhnung setzen: In der Stadt Villavicencio wird er am Freitag mit Tausenden von Opfern des bewaffneten Konflikts beten – und auch entwaffnete FARC-Mitglieder dürfen kommen.
Versöhnung – das wird auch das zentrale Thema der kommenden Jahrzehnte in Kolumbien sein. Bereits im Jahr 1995 gründete Kolumbiens Kirche eine Versöhnungskommission, die sich für die Opfer des bewaffneten Konflikts im Land einsetzt und einige von ihnen nach Havanna begleitete, wo sie als Zeugen bei den Friedensverhandlungen angehört wurden.
"Wir wollen dazu beitragen, dass der Friedensvertrag Schritt für Schritt umgesetzt werden kann", sagt der Vorsitzende Priester Darío Echeverri, "aber auch, dass die entwaffneten Rebellen von der Gesellschaft akzeptiert werden. Nur so können sie auf würdige Weise integriert werden."
Priester werden geschult
Nahe der 27 Übergangszonen der FARC bereitet die Versöhnungskommission örtliche Gemeindepfarrer auf die neuen Herausforderungen vor. "Wir unterstützen die Pfarrer dabei, sich um die Bauern zu kümmern, in deren Nachbarschaft nun plötzlich Hunderte entwaffneter Guerilleros leben", so Echeverri.
Die Landbevölkerung müsse zu ihrem Recht kommen. "Aber die Pfarrer sollen auch den FARC-Mitgliedern helfen – vor allem dabei, einen neuen Lebensentwurf zu finden." Unterstützung bekommt die Nationale Versöhnungskommission in Kolumbien auch vom deutschen Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat.
Die Versöhnungskommission unterstützt auch die Verhandlungen der kolumbianischen Regierung mit der noch aktiven Guerilla "Nationale Befreiungsarmee" (ELN). Mit dieser konnte gerade erst anlässlich des Papstbesuches eine Waffenruhe ausgehandelt werden.
Der Weg zum Frieden in Kolumbien ist noch weit, doch ein erster Schritt ist gemacht, davon ist Kardinal Rubén Dario Salazar Gómez überzeugt. "Es gibt einen wichtigen Unterschied: Einen Friedensvertrag zu unterschreiben, ist das eine. Frieden in einer Gesellschaft zu schaffen, ist das andere", sagt der Erzbischof von Bogotá, der zugleich auch Vorsitzender der lateinamerikanischen Bischofskonferenz (CELAM) ist. Dafür müssten auch die Gründe angegangen werden, die zu diesem Konflikt zu Grunde lagen, fordert er, die Politik müsse etwas gegen die Armut und die soziale Ungleichheit unternehmen.
"Und es muss Versöhnung geben", fügt er hinzu, "das ist natürlich schwierig, denn es erfordert, dass Opfer den Tätern verzeihen. Das kann nur jeder individuell entscheiden. Wir als Kirche setzen uns für die Versöhnung und das Verzeihen ein. Wir sagen aber auch: Es muss Entschädigungen geben. Opfer müssen für das Leid, das ihnen in den vergangenen 50 Jahren angetan wurde, entschädig werden."