Evangelischer Bischof Dröge zur Anklage gegen Peter Steudtner

"In keiner Weise nachvollziehbar"

Lange tat sich nichts im Fall des inhaftierten deutschen Menschenrechtlers Peter Steudtner in der Türkei. Nun drohen ihm 15 Jahre Haft. Als "in keiner Weise nachvollziehbar" bezeichnet dies der evangelische Bischof Markus Dröge.

Andacht für die Freilassung von Peter Steudtner  / © Jörg Carstensen (dpa)
Andacht für die Freilassung von Peter Steudtner / © Jörg Carstensen ( dpa )

domradio.de: Nach türkischen Medienberichten plädiert die Anklagebehörde für Haftstrafen von bis zu 15 Jahren für elf im Juli festgenommene Aktivisten, darunter Steudtner. Den Angeklagten werde unter anderem "Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation" vorgeworfen. Bischof Dröge, Sie sind auch zuständig für Steudtners evangelische Heimatgemeinde in der Gethsemanekirche in Berlin. Die Gemeinde setzt sich seit der Festnahme Anfang Juli für seine Freilassung ein. Aber statt Freiheit drohen jetzt 15 Jahre Haft. Bundesaußenminister Gabriel nannte das "absolut nicht nachvollziehbar". Sehen Sie das genauso?

Markus Dröge (Evangelischer Bischof von Berlin-Brandenburg/schlesische Oberlausitz): Das ist in keiner Weise nachvollziehbar, weil wir Herrn Steudtner kennen. Er ist in seiner Gemeinde auch ehrenamtlich aktiv gewesen. Er hat Seminare begleitet, in denen man Gewaltfreiheit vermittelt. Das Seminar, das er vor seiner Festnahme geleitet hat, ging um Stressbewältigung und Datensicherheit. Er reist in alle Welt, um Menschen in diesen Themen auszubilden. Es ist in keiner Weise nachvollziehbar, wie ein solcher Mensch mit Extremismus, Putschversuchen oder gar Terror in Verbindung gebracht wird.

domradio.de: Schwindet jetzt, wo die 15 Jahre Haft im Raum stehen, die Hoffnung auf baldige Freilassung?

Dröge: Wir hoffen natürlich weiter. Meine Hoffnung begründet sich darauf, dass inzwischen publik geworden ist, welche sogenannten Beweismittel es dort geben soll. Herr Steudtner hatte in dem Seminar den Leuten zur Stressbewältigung gesagt, sie sollten etwas malen. Und dann hat ein Teilnehmer die Karte der Türkei gemalt. Nun wird behauptet, dies sei ein Teilungsplan für die Türkei. Ich hoffe darauf, dass in einem Gerichtsverfahren, in dem hoffentlich auch genug öffentliche Wahrnehmung herzustellen ist, alle Vorwürfe, die im Raum stehen, in sich zusammenfallen werden.

domradio.de: Seine Gemeinde betet täglich für Peter Steudtner. Es finden Fürbitten und Aktionen statt. Was kann die Kirche noch machen? Zum Beispiel mehr Einsatz von der Bundesregierung fordern?

Dröge: Ich habe ja sehr früh einen Brief an den türkischen Botschafter geschrieben. Wir halten es hier in Berlin so, dass wir an diesen Gebeten auch immer wieder teilnehmen. Mal nehme ich selber teil, Politiker nehmen teil, mein Stellvertreter nimmt teil. Wir glauben, dass diese Kraft des öffentlichen Gebetes doch sehr viel bewirken kann. Soweit ich das sehe, hat die Bundesregierung von Anfang an getan, was getan werden kann. Sie hat sich immer laut und deutlich geäußert. Jetzt auch wieder.

domradio.de: Sehen Sie denn noch weitere Möglichkeiten, den Druck zu erhöhen, damit die vielen unschuldigen Menschen, die in der Türkei im Gefängnis sitzen, frei kommen? Peter Steudtner ist ja kein Einzelfall.

Dröge: Ich glaube, den besten Druck, den wir erzeugen können, ist tatsächlich, die Öffentlichkeit zu nutzen. Wir dürfen nicht aufhören, daran zu erinnern und in den Medien darüber zu berichten. Wir werden immer weiter diese Gebete anbieten. Da sollen viele Leute kommen und die Öffentlichkeit merken, dass Peter Steudtner und die vielen anderen, die gefangen gehalten werden, nicht vergessen sind. So etwas wirkt, und das müssen wir ganz stark weiterführen.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Markus Dröge / © Paul Zinken (dpa)
Markus Dröge / © Paul Zinken ( dpa )
Quelle:
DR
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