Fasten schadet - vor allem der Pharmaindustrie

Pause für alle Zellen

Dass Fasten für Körper und Geist gesund ist, ist eine jahrtausendealte Erfahrung. Die Religion hat diese Erkenntnis kultisch verarbeitet. Rar dagegen sind die medizinischen Forschungen über das Fasten.

Autor/in:
Andreas Öhler
Fasten mit Gemüse und Tee / © Barbara Beyer (KNA)
Fasten mit Gemüse und Tee / © Barbara Beyer ( KNA )

Die Pharmaindustrie hört nicht gerne auf Hippokrates (460-377 v. Chr.). Er schrieb: "Wer stark, gesund und jung bleiben will, heile sein Weh eher durch Fasten als durch Medikamente." Er selbst hat sich wohl daran gehalten. Hätte er sonst ein für die Antike sehr hohes Alter von 83 Jahren erreicht? 

Dass manche Krankheit auch durch Fasten kuriert werden kann, diese Erkenntnis dürfte Arzneimittelkonzernen nicht schmecken. Denn sollte sich dies bewahrheiten, würde das der Pharmaindustrie so manche finanziellen Einbußen bescheren. Das erklärt auch den Fakt, warum Pharmaunternehmen keine wissenschaftlichen Studien zu diesem Thema finanzieren.

Grundlagenforschung fehlt

Ernährungsmediziner Andreas Michalsen, Chefarzt im Berliner Immanuel-Krankenhaus in der Abteilung Naturheilkunde, moniert jedenfalls: Um stichhaltige Erkenntnisse über Nutzen und Schaden des Fastens erlangen zu können, müsste intensive Grundlagenforschung betrieben werden. Dafür gäbe es aber keine Forschungsgelder.

Die Fachzeitschrift "Spektrum der Wissenschaft " verwies im Februar 2015 in ihrem Beitrag "Was bringt Fasten wirklich?" auf eine Arte-Dokumentation mit dem Titel "Fasten und Heilen". Dort wurde ein groß angelegtes sowjetisches Forschungsprojekt über die medizinischen Auswirkungen des Fastens aus den 1950er Jahren erwähnt. Die UdSSR-Studie stellte damals beachtliche Heilungserfolge nicht nur bei Herz- und Kreislauferkrankungen fest; auch bei psychischen Leiden half es nachhaltig. Dass bislang jedoch viele Texte dieser Studie nicht übersetzt wurden, der Wissenstransfer auf diesem Gebiet nicht betrieben wurde, ist erstaunlich. Gehören doch zugleich Fasten-Ratgeber zu den Bestsellern im Wellness-Sortiment der Buchverlage.

Gefastet wird in fast allen Religionen

Wie Fasten medizinisch zu definieren ist, hat die Ärztegesellschaft Heilfasten und Ernährung e.V. in ihren "Leitlinien zur Fastentherapie" 2002 beschrieben: als "freiwilligen Verzicht auf feste Nahrung und Genussmittel für begrenzte Zeit". Dass Menschen überhaupt die Fähigkeit haben zu fasten und damit Nahrungsmangel zu kompensieren, ist eine evolutionäre Errungenschaft. Schwankungen im Speiseangebot werden durch Depotbildung ausgeglichen; der Körper schaltet in der Verdauung und der Fettverbrennung in einen Sparmodus.

Dem Fasten wird eine reinigende Funktion zugeschrieben, fälschlicherweise wird von Entschlackung gesprochen. Dabei gibt es im Körper gar keine Schlacke, allenfalls Proteinrückstände. Der Aspekt der Fastenreinigung kommt in allen Religionen vor. Dabei beruht das spirituelle Wissen auf nüchterner profaner Empirie.

Ein Alleskönner

Es ahnte, was für Michalsen inzwischen als gesichert gilt: Das Fasten schafft eine Pause für alle Zellen und ihre energiegewinnenden Kraftwerke, die Mitochondrien. Die Bauchspeicheldrüse und andere Organe werden entlastet. Die Leiden von Menschen mit hohem Blutdruck, Altersdiabetes oder Rheuma werden gelindert. Auch vor einer Chemo-Therapie soll das Fasten den Heilungserfolg steigern.

Michalsen ist ein Befürworter des sogenannten intermittierenden oder Intervallfastens über Nacht. Längere Essenspausen - zwischen der letzten und der ersten Mahlzeit des Tages sollten zwischen 14 und 16 Stunden liegen - entlasten nicht nur den Organismus, sondern unterstützen auch eine nachhaltigere Gewichtsabnahme, so der Bestsellerautor ("Heilen mit der Kraft der Natur"). Beim klassischen Heilfasten über ein paar Tage mit Brühe und Säften stellt sich dagegen meist schnell wieder das Ausgangsgewicht ein.

Serotonin-Spiegel steigt an

Fasten und sich Pfunde herunter zu hungern sind zudem zwei völlig verschiedene Dinge. Da Fasten ein freiwilliger Verzicht ist, wogegen Hunger eine von Krieg und Katastrophen verordnete Zwangsdiät bedeutet, kann von letzterem auch keine Freude ausgehen. Hunger lähmt, während selbst gewählte Askese agil macht. Untersuchungen ergaben, dass sich die Stimmung bei 80 Prozent der Fastenden verbessert. Gerade, wenn sich wie beim intermittierenden oder Intervallfasten die Anzeige der Waage kontinuierlich in niedrigeren Gewichtsgefilden einpendelt.

Das nun nicht mehr die Schokolade der Happymaker ist, mundet der Süßwarenindustrie nicht gerade. Denn auch Fasten mindert Frust. Dahinter, sagt die Pfaffenhofener Heilpraktikerin Caroline Leitner, verberge sich eine List der Natur, um das Überleben der Spezies zu sichern. Deshalb steigt beim selbstbestimmten Darben der Serotonin-Spiegel deutlich an. Es ist der Mangel, der plötzlich die Belohnung bietet. Ob das auch chemische Antidepressiva ersetzen kann, wird noch erforscht.


Quelle:
KNA
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