Kirchliches Arbeitsrecht wieder vor dem EU-Gerichtshof

Wenn der Chefarzt zwei Mal heiratet

Erst eine bei der Bewerbung abgelehnte Referentin, nun ein nach Wiederheirat entlassener Chefarzt: Erneut hat sich der EuGH mit dem kirchlichen Arbeitsrecht in Deutschland befasst. Dabei geht es um grundlegende Fragen.

Autor/in:
Michael Merten
 (DR)

Darf ein privates Spital einen Angestellten kündigen, weil er sich wieder verheiratet hat? Das ist aus Sicht des Vertreters der EU-Kommission, Killmann, die Kernfrage in einem Rechtsstreit, der mit dem Aktenzeichen C-68/17 und den Anfangsbuchstaben der Konfliktparteien "IR gegen JQ" zunächst unscheinbar daherkommt. Doch bei dem Fall, den der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag in Luxemburg mündlich verhandelte, geht es um grundlegende Fragen zum kirchlichen Arbeitsrecht. Für den Betroffenen ist es eine weitere von zahlreichen Instanzen.

Wegen zweiter Ehe entlassen

Der deutsche Chefarzt eines Krankenhauses in katholischer Trägerschaft hatte 2008 nach einer Scheidung erneut geheiratet und wurde entlassen, weil dies gegen das katholische Eheverständnis verstößt. Er klagte dagegen; und seit 2009 haben sich mehrere deutsche Arbeitsgerichte bis zum Bundesarbeitsgericht und Bundesverfassungsgericht mit dem Fall befasst.

Aus Sicht des Mediziners und mehrerer deutscher Gerichte verstieß die Kündigung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da eine Wiederheirat bei evangelischen Chefärzten nach der katholischen Grundordnung des kirchlichen Dienstes nicht zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führe. Nun liegt der Fall beim EuGH.

Vertreter der Bundesregierung und des katholischen Trägers haben darauf verwiesen, das Bundesverfassungsgericht habe die Auferlegung von Loyalitätspflichten je nach Konfessionszugehörigkeit der Mitarbeiter klar bejaht. Es handele sich bei der Kündigung des Arztes nach Sicht der deutschen Verfassungsrichter nicht um Diskriminierung.

Die katholische Kirche genieße in Deutschland ein von der Verfassung garantiertes Selbstbestimmungsrecht, womit sie ihre Loyalitätsansprüche an katholische Mitarbeiter selbst festlegen könne.

Auch der EU-Kommissionsvertreter befand: "Eine Kirche lebt vom Glauben und daher auch von ihrer Glaubwürdigkeit." Die Kommission wolle die Loyalitätsforderung nicht in Frage stellen. Wenn die katholische Kirche beispielsweise eine Muslimin einstelle, dürfe sie verlangen, dass diese nicht schlecht von der Kirche spreche. "Alles, was wir wollen, ist, dass sich die Kirchen an die Gleichbehandlungsrichtlinien halten."

Zwischen Religionslehrer und Chefarzt unterscheiden

Man müsse sich aber die Beschreibung des jeweiligen Arbeitsplatzes anschauen, so EU-Kommissionvertrter Killmann. Den Umfang der Loyalitätspflichten bestimme nicht in erster Linie die Frage der Religionszugehörigkeit, sondern die "Verkündigungsnähe" der Stelle.

So werde von einem Priester oder Religionslehrer mehr Kirchennähe verlangt als etwa von einem Organisten, einem Arzt oder Gärtner.

Die Caritas als Trägerin des Krankenhauses habe die Stelle des Chefarztes nicht ausschließlich auf Katholiken beschränkt. Sei ein Arbeitsplatz aber keiner bestimmten Konfession vorbehalten, dürften nicht unterschiedliche Anforderungen je nach Konfession der Mitarbeiter gelten. "Loyalitätspflichten müssen alle Personen auf einem gleichwertigen Posten gleich betreffen."

Der deutsche Bevollmächtigte Möller wies indes das Argument zurück, bei einem Arzt komme es in erster Linie auf den medizinischen Sachverstand an, nicht auf sein Glaubensverständnis. "Gerade in Krankenhäusern stellen sich in Grenzsituationen des Lebens ethische Fragen." Eine christliche Wertorientierung der Mitarbeiter könne hier Halt bieten. Oft gehe es um Fragen an der Grenze zwischen Leben und Sterben, etwa, wie lange und in welchem Umfang lebenserhaltende Maßnahmen sinnvoll seien. "Da hat der Gesetzgeber sehr wenig geregelt; es kommt sehr stark auf ärztliches Ethos an."

Im Juli 2017 wurde beim EuGH ein ähnlicher Fall verhandelt. Die konfessionslose Vera Egenberger, die sich auf eine Referentenstelle beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung beworben hatte und abgelehnt wurde, sah darin eine unzulässige Diskriminierung und einen Verstoß gegen die europäische Gleichbehandlungsrichtlinie.

Bei beiden Verhandlungen, Egenberger wie Chefarzt, zeigte sich, wie schwer sich europäische Juristen tun, dass das kirchliche Arbeitsrecht in Deutschland stärker als irgendwo sonst in der EU von vielen allgemeinen Arbeitsrechtsbestimmungen abweicht. Das Urteil im Fall Egenberger soll am 17. April fallen. Dann will der für den Chefarzt-Fall zuständige Generalanwalt am EuGH zudem den Termin seines Schlussantrags mitteilen.


Europäischer Gerichtshof in Luxemburg / © Geert Vanden  (dpa)
Europäischer Gerichtshof in Luxemburg / © Geert Vanden ( dpa )
Quelle:
KNA