DOMRADIO.DE: Wie weit können denn die Kompetenzen der nationalen Bischofskonferenzen in Lehrfragen gehen? Dürfen die Bischöfe in Zukunft beschließen, dass zum Beispiel auch verheiratete Männer die Messe feiern dürfen?
Prof. Thomas Schüller (Professor für Kirchenrecht in Münster): Das muss man abwarten. Bisher galt, was Johannes Paul II. 1998 in "Apostolus suos" festgelegt hat: dass eine Bischofskonferenz keine effektive Kollegialität bzw. Autorität, hat, sondern nur eine affektive, also eine mitbrüderliche Gesinnung. Dort war festgelegt, dass sich eine Bischofskonferenz nur einstimmig in Lehrfragen äußern kann. Dann muss das aber noch in Rom kontrolliert oder mit entsprechender Mehrheit verabschiedet werden.
Ob da jetzt eine Öffnung stattfindet, wird die Zukunft zeigen. Ich denke nicht, dass wir eine Unterschiedlichkeit in den zentralen Glaubenswahrheiten haben. Es geht hier eher um praktische, seelsorgerliche, disziplinäre Fragen. Und da kann es wirklich sein, dass es unterschiedliche Antworten zu gleichen Themen geben kann – wie es schon Papst Franziskus in seinem ersten Schreiben gesagt hat. Ihm ist es ein Anliegen, den katholischen Glauben dezentraler und inkulturierter in die Welt zu tragen. Das ist eine neue Erfahrung, aber man wird abwarten müssen, welcher Spielraum hier gegeben wird.
DOMRADIO.DE: Sträuben sich für sie als Kirchenrechtler nicht die Haare, wenn das schöne einheitliche Kirchenrecht jetzt so verwässert wird?
Schüller: So schnell sträuben sich die Haare nicht. Mir ist schon als katholischer Christ wichtig, dass in den Grundfragen der große Vorteil der katholischen Kirche darin besteht, dass Papst und Bischofskollegen mit einer Stimme reden. Und ich würde daran auch festhalten wollen. Allerdings gibt es immer wieder die Aufgabe, dass ein katholischer Glaube sich in der Kultur des Landes verleiblicht – und das sieht man ja schon, wenn man durch die Weltkirche reist und fährt. Man denke beispielsweise an die Liturgie in Afrika, mit Elementen wie dem Tanz, weil es den Leuten den Glauben erleichtert. Da sehe ich Spielraum und das will, glaube ich, der Papst auch so.
DOMRADIO.DE: Gibt es da nicht viele Probleme? In Deutschland dürfen protestantische Ehepartner zur katholischen Kommunion gehen - und in Italien zum Beispiel nicht?
Schüller: Ja, das ist ein Problem, wenn man mit Dezentralisierung und Regionalisierung von Glauben und Glaubenspraxis agiert und ermöglicht, dass Landesgrenzen zu Glaubensgrenzen werden können. Da werden dann die Leute verunsichert in ihrer religiösen Praxis. Da trifft ein evangelischer Christ mit Begleitung durch einen kompetenten Seelsorger die Gewissensentscheidung ohne die Konfession zu wechseln zur Kommunion zu gehen, weil man den katholischen Glauben hinsichtlich der Eucharistie trägt. Und dann ist man im Urlaub und wird abgewiesen. Da muss sich Papst Franziskus noch überlegen, wie er eine Harmonisierung hinbekommt, so dass die Leute an Landesgrenzen nicht plötzlich abgestoßen werden. Das ist der Preis, den man für Dezentralisierung und Regionalisierung trägt.
DOMRADIO.DE: Wie geht es denn nun weiter? Im Beschluss des Kardinalsrats heißt es, es gebe noch keine angemessene Satzung für Bischofskonferenzen, die deren eigene Kompetenzen, auch in Lehrfragen, genügend berücksichtige. Von wem wird so eine Satzung erstellt - und wie kann die aussehen?
Schüller: Die Statuten und die Satzung für Bischofskonferenzen werden von den nationalen Bischofskonferenzen erstellt, müssen dann aber der Bischofskongregation vorgelegt werden. Das ist jetzt schon so und das wird auch in Zukunft so bleiben. Da müssen wir in Zukunft sehen, wie die Bischofskonferenz mit einem größeren Gestaltungsfreiraum der Bischofskonferenzen umgehen. Wir sind ja keine Sterndeuter, die wissen, was in ein paar Wochen oder Monaten geschieht. Hier wird man abwarten müssen, wie die Genehmigungspraxis der Bischofskongregation aussieht.
DOMRADIO.DE: Wie finden Sie denn die Entwicklung, die Papst Franziskus da anstrebt?
Schüller: Das entspricht seinem Programm, stärker die Außenbezirke, quasi die Teilkirchen, wieder in ihrer eigenen Dignität, in ihrer Bedeutung, hervorzuheben und deutlich zu machen: Der einzelne Diözesanbischof wie auch die Bischofskonferenz müssen schauen, was in ihrer Region, in ihrer Diözese wichtig und wertvoll ist. Die Kunst wird darin bestehen, die Punkte, in denen unbedingt Einigkeit bestehen muss, weiterhin im Bischofskollegium beim Papst in Rom zu entscheiden und gleichzeitig den einzelnen Diözesen Spielräume zu bieten. Die Frage ist, in welchem Themenbereich; ich denke nicht in den grundsätzlichen Fragen der Lehre. Aber in disziplinären Fragen wie "viri probati" sollte das möglich sein.
Das Gespräch führte Verena Tröster.