New York. Die Stadt, die angeblich nie schläft ist eine Herausforderung. Verkehrschaos, Hektik, Lärm, Stress und Gewusel überall und mitten drin – ein Westfale. Er heißt Tobias Halene, ist zwei Meter groß, Nervenarzt und der ganze Trubel der Stadt ist ihm manchmal total egal – wie zum Beispiel dann, wenn er gerade mit seinem besten Freund schreibt oder telefoniert. Der heißt Uwe Börner und lebt ganz woanders. Nämlich in der kleinen Gemeinde Molbergen, 6.029 Kilometer östlich von Manhatten, im Landkreis Cloppenburg.
Die beiden sind schon eine ganze Weile Freunde, seit ihrer Jugend – Da haben beide noch im gleichen Dorf gewohnt: in Westkirchen, einem 3.000-Seelen-Örtchen im Herzen Westfalens. Zusammengebracht hat die beiden der Pfarrer damals, Pastor Bille. Uwe erinnert sich noch gut daran:
"Die Freundschaft wurde dick, als wir beide Küster wurden, als Aushilfe bei uns in der Pfarrgemeinde. Dafür haben wir uns Taschengeld verdient, da waren wir 15, 16."
Der Beginn einer Fern-Freundschaft
Als Tobias dann mit Mitte 20 sein Medizinstudium erfolgreich abschließt, kommt die Distanz ins Spiel: Er geht nach Rom, arbeitet dort an der Gemelli-Klinik, lernt in Italien schließlich seine Frau – eine Amerikanerin – kennen und zieht mit ihr nach New York. Spätestens seitdem führen die beiden eine Fern-Freundschaft. Und das ist nicht so einfach, sagt Uwe:
"Das Problem bei uns war immer, wenn wir was hatten, sei es in der Familie oder im Umfeld, wenn jemand starb oder andere Dinge, wir konnten uns dann ja immer nur erst mal telefonisch unterhalten. Bis der eine dann zum anderen kommen konnte oder umgekehrt - dann gingen auch immer erst mal Stunden, manchmal auch Tage dahin."
Kontakt halten – aber wie?
Klar kann man sich in Zeiten von WhatsApp, facebook und Instagram schnell und weltweit vernetzten. Das machen die beiden auch ein bisschen, aber – da steckt immer auch eine gewisse Beliebigkeit und Oberflächlichkeit mit drin, findet Tobias:
"Das ist aber so wie Coca Cola und die Nachmache vom Aldi. Ähnlich, aber nicht das gleiche. Ich glaube, dass e da schon einen ganz gewaltigen Unterschied gibt, also Begegnung von einem Menschen zum anderen, vis a vie, ganz andere Komponenten hat als das gesprochene Wort."
Verbunden über den Glauben
Viel mehr als über die sozialen Medien fühlen sich die zwei über das Gebet verbunden. Ein gutes Bild für ihre Freundschaft ist das der Jünger auf dem Weg nach Emmaus, sagt Uwe: Gott ist immer mit dabei.
"Tobias wie auch ich kommen aus Familien, in denen der Glaube ehrlich vorgelebt worden ist. Dieser Glaube hat uns über die Kilometer, wenn wir in unterschiedlichen Ländern studiert haben, woanders lebten, aber auch in Freund und Leid , die es ja auch in der Jugend gab, immer schon gehalten und getragen."
Von nichts kommt nichts
Damit das mit der Freundschaft über Kontinente hinweg bisher auch so klappen konnte, mussten die beiden natürlich auch was tun: Einerseits spielen Verständnis für die Realität des anderen und Freiheit eine große Rolle. Es gibt keine Strichlisten, wer wen wie oft besucht oder angerufen hat. Andererseits haben die beiden gemerkt, dass es schon wichtig ist, in den wirklich bedeutenden Momenten zueinander zu finden.
"Ich glaube, wir haben in den Jahren immer wieder die Freude am anderen gehabt. Das sind Dinge, da hat man mitgelebt, da hat man sich mitgefreut und von daher ist diese Freundschaft schon sehr bereichernd. Es ist nicht anstrengend, man nimmt die Dinge wahr, es ist nur anders", überlegt Uwe und denkt dabei zum Beispiel daran, wie er Tobias und seine Frau vor ein paar Jahren in Brooklyn getraut hat.
Eine Freundschaft ist wie ein Sparkonto
Die Freundschaft von Uwe und Tobias ist flexibel. Es gab auch schon Zeiten – Tage, Wochen, Monate – ohne Kontakt. Und das ist okay, wenn man eine gemeinsame Basis hat, die das tragen kann. Westfälisch nüchtern vergleicht Tobias die Freundschaft mit einem gemeinsamen Sparkonto, auf das beide jahrelang eingezahlt haben:
"Und da ist dann viel Kapital drin und dann hält es das auch aus, wenn für lange Zeit nicht so viel eingezahlt wird, oder wenn beide viel Geld abheben, so wie wir das tun, wenn wir uns nicht sehen, lange nicht sehen."
Kulturschock, wenn man sich wiedersieht?
Die beiden sehen sich etwa einmal pro Jahr. Meistens kommt Tobias mit seiner Familie dann nach Deutschland, wo sie sich gern in ihrem Heimatdorf treffen. Von New York nach Westkirchen in Westfalen: Prallen da Welten aufeinander?
"Es geht sofort los, wenn er da ist, wir müssen auch keinen Smalltalk führen. Aber dafür bin ich genauso bekannt wie er - wir vertrödeln eh nicht unsere Zeit mit belanglosen Gesprächen. Spätestens nach dem dritten Satz sind wir im Thema", bemerkt Uwe. Dieses Urvertrauen in ihre Freundschaft schafft eine Nähe, die auch mehr als 6.000 Kilometer nicht kaputt machen können.
Distanz ist nur geographisch
"Ich glaube, ohne Uwe würde ich mich ein ganzes Stück einsamer fühlen", sagt Tobias. Wenn er einem anderen Menschen ein großes Geschenk machen wollte, dann würde er ihm Uwe als Freund geben, fügt er hinzu. Und wenn man Uwe fragt, dann merkt man, dass Freundschaft wirklich keine Kilometer zählt:
"Tobias ist für mich der Mensch in meinem Leben, der mir am nächsten ist, obwohl er am weitesten geographisch von mir entfernt ist."