DOMRADIO.DE: Wie haben Sie die Ostermärsche an Ostersonntag in Bonn erlebt?
Reinhard Griep (Pax Christi Diözesanverband Köln): In Bonn waren ca. 500, 600 Menschen auf der Straße und wir sind vom Beuler Rheinufer in die Stadt gelaufen. Dabei hatten wir verschiedene Stationen. Zum Beispiel ging es um das Thema Geflüchtete und das Gedenken an die Menschen, die im Mittelmeer umgekommen sind. Für sie haben wir von der Rheinbrücke Blumen ins Wasser gelassen und so daran erinnert, denn die Situation ist skandalös. Nach wie vor sterben hunderte Menschen auf dem Weg nach Europa.
Dann sind auch viele Kurden mitgegangen, um auf die aktuelle Situation in der syrischen Stadt Afrin aufmerksam zu machen, wo das türkische Militär einmarschiert ist. Auch mit der Unterstützung der deutschen Regierung. Waffenexporte aus Deutschland an die Türkei haben das auch erst möglich gemacht und finanziert. Und auch die in Büchel in der Eifel stationierten US-Atomwaffen waren ein Thema. Das zeigt eben auch, dass die Themenbreite zugenommen hat. Doch das führt nicht dazu, dass mehr Menschen auf die Straße gehen, weil es für die Menschen auch schwierig ist, die komplizierter werdenden Konflikte zu verstehen, beziehungsweise sich auch davon ansprechen zu lassen.
DOMRADIO.DE: Die Menschen wissen zwar um die Probleme, gehen aber nicht offensiv auf die Straße? Oder beteiligen sich nicht mehr an den Protesten?
Griep: Naja, das war sicherlich in den 60er, aber auch in den 80er Jahren anders als die Konfrontationslinie klarer war. Als es vor allen Dingen um einen Konflikt ging und nicht um hunderte. Das mobilisiert möglicherweise noch stärker. Und auch die emotionale Beteiligung war eine andere. Je mehr die Konflikte zunehmen, führt das zumindest bei einigen Menschen dazu, dass sie nicht auf die Straße gehen, sondern sich eher zurückziehen. Weil sie das Gefühl haben, nichts ändern zu können. Die emotionale Beteiligung ist ein ganz wesentlicher Faktor. Betrifft es mich in meinem Leben? Und die Fragen: Was kann ich tun und habe ich Wirksamkeit?
DOMRADIO.DE: Die Ostermärsche sind Thema in allen Medien, aber kommt auch was dabei rum? Das ist wahrscheinlich auch die Frage derjenigen, die auf die Straße gehen oder eben nicht.
Griep: Die Wirksamkeit lässt sich nicht nur daran messen, dass bestimmte Konflikte und Themen gelöst sind. Wir werden auch weiterhin Kriege haben. Da bin ich ganz sicher. Die Frage ist, ob es ein Bewusstsein für andere Lösungsmöglichkeiten gibt. Für andere Herangehensweisen an Themen. Beispielsweise dass es ins Bewusstsein kommt, dass hundert Kilometer von Bonn entfernt US-Atomwaffen liegen. Viele Menschen wissen das nicht und welche Gefahr davon ausgeht. Oder dass Menschen unter 18 Jahren für das Militär rekrutiert werden, die im rechtlichen Sinne noch Kinder sind. Das sind alles Dinge, wofür sensibilisiert werden soll.
DOMRADIO.DE: Wird es die Ostermärsche in zehn Jahren noch geben?
Griep: Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen. Die Ostermarschbewegung hat viele Täler durchschritten. Aber es ist eine Traditionsbewegung und ich glaube, dass es sie immer in der Weise geben wird, weil sie regional organisiert sind und regionale Themen mitaufgreifen. Zum Beispiel in Bonn sollte bis vor kurzem ein NATO-Hauptquartier entstehen. Das scheint jetzt vom Tisch zu sein. Oder dass es im Juli wieder eine öffentliche Werbeveranstaltung der Bundeswehr geben soll. Also, die regionalen Themen spielen eine große Rolle und das wird auch in zehn Jahren so sein. Wie viele Menschen dann auf die Straße gehen werden, kann ich natürlich nicht sagen.
Das Interview führte Carsten Döpp.