"Entwicklungszusammenarbeit will die Lebensbedingungen in armen Staaten verbessern und darf nicht mit dem Ziel verknüpft werden, die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland zu reduzieren", sagte Neher am Mittwoch in Freiburg.
Anders als vielfach suggeriert gebe es keinen direkten Zusammenhang zwischen Entwicklungsarbeit und Migration, so Neher. "Das Gegenteil kann richtig sein, wenn Entwicklungszusammenarbeit armen Menschen neue Horizonte eröffnet." Die Partnerländer für deutsche Entwicklungszusammenarbeit dürften keineswegs danach ausgewählt werden, wie viele Menschen von dort nach Europa kämen.
Neher äußert Sorge über internationale Entwicklung
Bei der Vorstellung des Jahresberichts der Hilfsorganisation Caritas international sprach Neher im Blick auf die weltweite humanitäre Hilfe von geringer werdender Solidarität. "Ich habe die Sorge, dass das Denken im Sinne von 'America first!' zum politischen Mainstream werden könnte und damit die Grundlage internationaler humanitärer Hilfe gefährdet."
Schon heute stelle die internationale Staatengemeinschaft nur die Hälfte der Mittel zur Verfügung, die dringend nötig wären. Als Beispiel verwies Neher auf Syrien. Aktuell sei die Versorgung von Hunderttausenden gefährdet. 70 Prozent der im Bürgerkriegsland verbliebenen Menschen lebten in extremer Armut.
Immer mehr Krisen, Kriege und Naturkatastrophen
Immer mehr Menschen auf der Welt sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. "Prognosen zufolge werden in diesem Jahr doppelt so viele Menschen wie noch vor zehn Jahren Hilfe benötigen", erklärte Oliver Müller, der Leiter von Caritas international, bei der Pressekonferenz in Freiburg. Grund dafür sind Krisen, Kriege und Naturkatastrophen.
2017 mussten den Angaben zufolge 129 Millionen Menschen versorgt werden. 2018 steigt die Zahl voraussichtlich auf 136 Millionen. Als Beispiele für Länder, in denen das Überleben nur unter schwierigsten Bedingungen möglich ist, nannte Müller Syrien und Somalia. Außerdem lebten viele der "Ärmsten der Armen", in Regionen, die kaum beachtet würden, wie etwa die Zentralafrikanische Republik.
Bei den Ursachen verwies Müller auch auf die steigende Zahl der Naturkatastrophen, die sich seit den 90er Jahren auf heute durchschnittlich 350 pro Jahr verdoppelt habe. Vor allem extreme Wetterereignisse wie Wirbelstürme oder Dürren träten vermehrt auf.
Einige Länder halten Hilfszusagen nicht ein
Müller kritisierte, dass die humanitäre Hilfe der internationalen Staatengemeinschaft mit diesen Entwicklungen nicht gleichauf sei. Zudem würden einige Länder Zusagen nicht einhalten. Daher erhalte derzeit nur noch jeder zweite Mensch, der auf Hilfe angewiesen sei, diese auch. "Es reicht nicht mehr 'nur' auf der Flucht zu sein", sagte Müller. Hilfe könne nur noch dem Hilfsbedürftigen gewährt werden, der weitere sogenannte "Bedarfs-Kriterien" erfüllt. Dazu gehörten zum Beispiel Kinder oder Behinderte.
Ohne Hilfe von außen sei aber zum Beispiel in Syrien das Überleben kaum noch möglich, betonte Caritas-Präsident Peter Neher. "In dem Land kostet ein Kilo Reis regional mittlerweile bis zu 20 Prozent eines durchschnittlichen syrischen Monatseinkommens", sagte er. "In der Folge leben circa 70 Prozent der Menschen in extremer Armut."
Steigende Zahl an privaten Spendern
Auf der Positivseite vermerkt Caritas international eine steigende Zahl privater Spender. "Es gibt eine sehr hohe Bereitschaft zu helfen. Die Not geht vielen Menschen nahe", sagte Neher. Bei dem katholischen Hilfswerk seien 2017 rund 7,2 Millionen Euro mehr Spenden eingegangen als 2016. Insgesamt seien im vergangenen Jahr 34 Millionen Euro Spenden zusammengekommen. Zusammen mit kirchlichen und öffentlichen Zuwendungen habe Caritas international daher Projekte in 82 Ländern im Umfang von 80 Millionen Euro finanzieren können. "Das war das höchste Projektvolumen in der Geschichte von Caritas international", sagte Neher.