DOMRADIO.DE: Waren Sie zunächst einmal erleichtert, dass der Rechtsruck nicht ganz so drastisch ausgefallen ist, wie Umfragen vorhergesagt haben? Oder ist der Trost gering?
Sr. Anna Mirijam Kaschner cps (Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz): Beides würde ich sagen. Wir waren einerseits natürlich erleichtert, dass die Schwedendemokraten jetzt nicht wie angekündigt über 20 Prozent an Stimmen eingefahren haben, sondern darunter geblieben sind. Aber nichtsdestotrotz sind sie nun drittstärkste Kraft im Land. Das macht uns schon Sorgen.
DOMRADIO.DE: Auch die Schwedendemokraten haben Profit daraus geschlagen, dass besorgte Bürger der Flüchtlingspolitik ihrer Regierung zumindest skeptisch gegenüberstehen. Wie würden Sie denn die Stimmung im Land hinsichtlich dieser Frage beschreiben?
Sr. Anna Mirijam: Man kann sie vielleicht etwas vergleichen mit der Stimmung in Deutschland. Die Parallelen zwischen AfD und den Schwedendemokraten liegen auf der Hand. Ich glaube, dass so ähnlich wie in Deutschland die AfD, auch die Schwedendemokraten gerade mit diesen latenten Ängsten der Menschen spielen und sie ausnutzen für ihre eigene Parteipolitik. Das erleben wir in Deutschland genauso. Ich habe auch mit Kardinal Arborelius (Bischof von Stockholm) gesprochen. Er sagte, sie hofften einfach sehr, dass die neue Regierung, wie immer sie denn jetzt aussehen mag, weiterhin auch die Rechte der Minderheiten im Land schützen werde.
DOMRADIO.DE: Wie positioniert sich die kleine katholische Minderheit in Schweden hinsichtlich in der Flüchtlingsfrage?
Sr. Anna Mirijam: Sie stehen natürlich diesen ganzen rechtspopulistischen Parteien sehr skeptisch gegenüber. Wir sind ja im Moment noch in der glücklichen Lage, dass wir als absolute Minderheitenkirche relativ unauffällig sind. Aber wir merken nach und nach auch den politischen Druck, beispielsweise was die Einwanderung von Priestern oder auch Ordensleuten aus nichteuropäischen Ländern angeht. Da wird der Druck sehr stark so empfunden, beispielsweise werden Verfahren hinausgezögert. Es dauert unendlich lange bis man ein Visum bekommt.
Wenn Schwestern oder Priester, die wir dringend auch aus nichteuropäischen Ländern brauchen, ins Land kommen, werden ihnen hohe Auflagen auferlegt. Es ist abzusehen, dass das noch sehr viel stärker werden wird. Gerade in Schweden bestehen 80 Prozent der katholischen Kirche aus Einwanderern. Die katholische Kirche hat gute Erfahrungen damit gemacht, Menschen zu integrieren, nicht durch Abschottung, wie das jetzt durch die populistischen Parteien gefordert wird. Sondern wirklich durch den Versuch, mit ihnen auf Augenhöhe zu sprechen und sie hineinzuholen in die dänischen, schwedischen, norwegischen Werte des Landes.
DOMRADIO.DE: Wie besorgt sind Sie denn, dass die künftige Regierung sich in wichtigen Fragen – wie der Flüchtlingspolitik – von den Rechtspopulisten treiben lässt?
Sr. Anna Mirijam: Es hat sich ja schon im Vorfeld der Wahlen einiges angedeutet, dass nämlich nicht nur die Schwedendemokraten, sondern auch die Sozialdemokraten interessanterweise in diesen Mainstream hinein gehängt haben. Sie haben damals vor der Wahl angedroht, sollten sie gewählt werden, alle konfessionellen Schulen im Land zu schließen. Und zwar mit der Begründung, dadurch die Integration von Ausländern zu fördern, dass also Ausländer nicht mehr auf ihre eigenen Schulen in ihrer eigenen Sprache unterrichtet werden, sondern quasi hineingeholt werden in die staatlichen Schulen. Das bedeutet eben auch, dass unsere katholischen Schulen geschlossen würden und das wäre wirklich ein herber Verlust für die katholische Kirche. Und da sagt die katholische Kirche ganz klar: Das machen wir nicht mit, das nicht in Ordnung.
DOMRADIO.DE: Gibt es weitere Initiativen der Nordischen Bischofskonferenz?
Sr. Anna Mirijam: Wir stehen in allen fünf Ländern unserer Bischofskonferenz in der gleichen Situation – und auch in allen europäischen Ländern werden die rechtspopulistischen Parteien größer und stärker. Wir sehen schon, dass damit auch das Integrationsvorhaben der katholischen Kirche bedroht wird und damit auch eigentlich das Überleben der katholischen Kirche. Wenn wir Priester und Ordensleute und andere Menschen aus bestimmten Ländern nicht mehr zu uns lassen können, besteht einfach auch die Gefahr, dass wir die Versorgung unserer Gläubigen nicht mehr gewährleisten können. Wir versuchen durch Gespräche, auch mit Politikern, immer wieder darauf hinzuweisen, was das für unsere kleine katholische Kirche bedeutet. Der Erfolg ist oft gering, als eine absolute Minderheitenkirche ist unsere Stimme natürlich nicht gerade sehr durchgreifend. Dadurch, dass wir einen Kardinal in unseren Reihen haben, hoffen wir etwas mehr Gehör in dieser Angelegenheit zu finden.
Das Gespräch führte Heike Sicconi.