DOMRADIO.DE: Die gekippte Regelung ist eine relativ alte. Erklären Sie uns noch einmal: Warum gibt es bislang einzelne evangelische Religionsgruppen, die einen Feiertagszuschlag bekommen haben und andere nicht?
Christoph Wellner (Chefredakteur von Radio Klassik Stephansdom): Das ist in der Tat wirklich eine schon sehr alte Regelung. Das Ganze geht zurück auf ein Gesetz: das Arbeitsruhe- und das Feiertagsruhegesetz aus dem Jahr 1957. Das war noch eine ganz andere Zeit. Da wurde festgelegt welche, auch kirchlichen, Feiertage für das gesamte Land gelten.
Damals hat man im traditionell katholischen Land Österreich ein Zugeständnis an gewisse evangelische Kirchen gemacht – an das Augsburgerische und Helvetische Bekenntnis und an die Methodisten und sogar die Alt-Katholiken hat man noch mit dazu genommen. Man hat ihnen zugebilligt, dass sie an Karfreitag nicht arbeiten müssen und wenn es der Betrieb erfordert, würde es einen Zuschlag geben.
Das hat bis 2015 ganz offensichtlich niemanden gestört. Denn da war es plötzlich anders, weil ein Mitarbeiter eines Detektivsbüros der Meinung war, ihm als Konfessionslosen stehe dieser Zuschlag vom Karfreitag auch zu. Die Begründung dahinter ist, dass für diese vier kleinen Religionsgruppen der Karfreitag besonders wichtig sei.
DOMRADIO.DE: Für uns hier in Deutschland ist es schwer vorzustellen. Hier sind die Feiertage nach Bundesländern geregelt, aber nicht nach konfessionellem Bekenntnis. Weshalb sieht die Regelung in Österreich denn so anders aus?
Wellner: Ich glaube, dass das wirklich etwas ist, was 1957 eingeführt wurde und woran gar niemand mehr irgendwie gedacht hat. Es hat bei uns vor ein paar Jahren einmal die Diskussion gegeben, ob am Reformationstag überhaupt für evangelische Christen frei sein sollte.
Daraufhin hat man mit den Sozialpartnern eine Regel gefunden. Wenn ein Gottesdienst besucht wird, dann ist dem Arbeitnehmer freizugeben. Wenn er nicht den Gottesdienst besucht, dann muss er ganz normal arbeiten. Eigentlich wurde das immer relativ kollegial gelöst. Aber man sieht jetzt, es reicht ein Anruf bei einem Gericht und dann gerät so Einiges ins Wanken.
DOMRADIO.DE: In der Regelung steht aber, dass das nicht an eine bestimmte religiöse Pflicht gekoppelt sein muss.
Wellner: Der Karfreitag nicht, das betrifft den Reformationstag im Oktober.
DOMRADIO.DE: Aber wenn das den Karfreitag nicht betrifft, was bedeutet das für das Arbeitsrecht?
Wellner: Das ist die Frage, die sich in Österreich momentan dringend stellt. Jetzt gilt das Urteil vom Europäischen Gerichtshof. Das heißt, bis zum 19. April muss eine Regelung gefunden werden, wie damit umzugehen ist.
DOMRADIO.DE: Haben sich die Religionsgemeinschaften selber schon dazu geäußert?
Wellner: Es hat sich sowohl die katholische Bischofskonferenz geäußert, wie auch der evangelisch-lutherische Bischof. Sie nehmen das Urteil zur Kenntnis. Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker hat gesagt, er fühle sich im Moment erleichtert, weil sich die EU an ihre Richtlinien gehalten und nicht in ein innerösterreichisches Religionsrecht eingegriffen hat. Der EuGH hat gesagt, der Gesetzgeber müsse hier etwas reparieren, was ganz offensichtlich nicht in Ordnung ist.
Die katholische Bischofskonferenz beziehungsweise ihr Generalsekretär hat gesagt, er sei froh über dieses Urteil und könne sich vorstellen, dass der Karfreitag ein gesetzlicher Feiertag bleiben soll. Aber er ist dafür, dass die Feiertagszuschläge verschwinden. Das wäre jetzt, man könnte wieder sagen, eine österreichische Lösung. Man würde auf der einen Seite dem Urteil des Europäischen Gerichtshof nachkommen, auf der anderen Seite auch die Diskriminierung loswerden, was die Bezahlung betrifft.
DOMRADIO.DE: Das heißt also, es ist unter Umständen möglich, dass der Karfreitag in diesem Jahr ein staatlicher Feiertag in Österreich wird?
Wellner: Ganz genau.
DOMRADIO.DE: Was hat das für Konsequenzen?
Wellner: Die Arbeitgeberseite, also die Wirtschaft, droht jetzt schon mit Szenarien, was das alles koste. Es geistern gerade die Zahlen herum, dass ein zusätzlich eingeführter Feiertag oder arbeitsfreier Tag der Republik Österreich ungefähr 600 Millionen Euro koste.
Das ist jetzt eine Zahl, die seit gestern im Raum steht. Ich glaube nicht, dass man sie so schnell wird überprüfen können. Aber es gibt auch schon die ersten Rufe, den Karfreitag zu einem Feiertag zu machen und sich einen anderen Tag zurückzuholen. Wie zum Beispiel, und das waren jetzt die ersten Äußerungen, den Pfingstmontag.
Das Gespräch führte Renardo Schlegelmilch.