Kluft in Südafrika belastet Zusammenhalt vor den Wahlen

Ein Land - zwei Nationen

Südafrika gilt als das Land mit der ungerechtesten Einkommensverteilung der Welt, auch wenn man räumlich nicht weit entfernt wohnt. Für viele beginnt jenseits des Elektrozauns eine andere Welt. Eine Begegnung ist eher selten.

Autor/in:
Markus Schönherr
Leben hinter Zäunen: Township bei Kapstadt / © Hanno Gutmann (epd)
Leben hinter Zäunen: Township bei Kapstadt / © Hanno Gutmann ( epd )

Wenn eine Grillparty stattfand, versprechen die Mülleimer besonders viel Ausbeute. Im Kapstädter Nobelviertel Camps Bay, vor der Villa mit Meerblick, durchwühlt ein Obdachloser die Tonne nach Essbarem. Beobachtet wird er dabei nicht nur vom Hausbesitzer und dem Parkwächter, der am Supermarktparkplatz auf ein paar Münzen Wechselgeld hofft. Auch die Uniformierten des privaten Sicherheitsdiensts haben ein Auge auf den vermeintlichen Störenfried.

Arm und Reich nahe beieinander

Südafrikas Gesellschaft ist vielfältig - nicht nur, was ihre verschiedenen Volksgruppen angeht. Populisten nutzen die sozialen Unterschiede zunehmend für Stimmungsmache.

Nirgends leben Arm und Reich so nah beieinander wie in Südafrika. Das hat viele aus Ober- und Mittelschicht abstumpfen lassen. Tatsächlich ist die soziale Kluft so verankert, dass einige Beobachter von "zwei Nationen in einem Land" sprechen. Nur ab und an treffen diese Nationen tatsächlich aufeinander.

So wie vor kurzem an einer Kreuzung in Kapstadt, wo sich der Musiker Jeremy Olivier über die Jahre hinweg mit dem Verkäufer einer Straßenzeitung anfreundete. Nun bekamen die Oliviers einen neuen Familienwagen - und beschlossen kurzerhand, ihr altes Auto dem Zeitungsverkäufer zu schenken. Solche Gesten brauche Südafrika gerade jetzt - "als Erinnerung, dass wir es gemeinsam als Land echt draufhaben", so Olivier.

Immer noch tiefe Gräben

Doch solche Zeichen der Solidarität sind selten. Und viel zu oft orientiert sich die Armut auch 25 Jahre nach dem Ende der Apartheid noch teils stark an der Volkszugehörigkeit, weiß Michael Morris, Sprecher des Institute of Race Relations (IRR) in Johannesburg. "Zwar ist die Zahl der Schwarzen in Führungspositionen enorm gestiegen", sagt er; "aber die Gräben sind immer noch tief und verlaufen immer noch entlang ethnischer Grenzen, aufgrund von Südafrikas Geschichte und dem Versäumnis, dieses Erbe stärker anzupacken."

So machen Schwarzafrikaner heute zwar mehr als die Hälfte von Südafrikas emanzipierter Mittelschicht aus. Zugleich aber sind 95 Prozent der chronisch Armen schwarz - verglichen mit einem Prozent bei den Weißen. Das ruft vor den Wahlen im Mai Populisten auf den Plan. Sie kommen von rechts und links, sind schwarz, weiß und "coloured" (Mischlinge). Sie alle fühlen sich betrogen - und machen das Leben in Nelson Mandelas erträumter "Regenbogennation" zunehmend schwer.

Mehr Sozialhilfeempfänger als Arbeitende

So musste auch Präsident Cyril Ramaphosa jüngst bei seiner Rede zur Lage der Nation feststellen: "Manchmal sieht es so aus, als wäre die Milch der Menschenliebe, die uns 1994 die Versöhnung brachte, sauer geworden." Und auch Südafrikas letzter Apartheid-Präsident und Friedensnobelpreisträger Frederik Willem de Klerk meldete sich vor kurzem mit einer Warnung aus dem Ruhestand zurück. "Unsere Regierung hat die großartige Tradition aufgegeben, Versöhnung zwischen den Volksgruppen zu fördern, wie Nelson Mandela es tat", so der 82-Jährige. Auch Korruption und die Tatsache, dass Südafrikas Gesellschaft "heute ungerechter als 1994" sei, belasteten das Land schwer.

2017 gab es im Land erstmals mehr Sozialhilfeempfänger als Arbeitende. Die Regierung in Pretoria konnte Millionen Südafrikaner durch Sozialhilfe aus extremer Armut ziehen. Doch die Beihilfe ist nicht mehr als ein Pflaster, mit dem die Verantwortlichen versuchen, einen Bruch zu verarzten.

Caritas für alle südafrikanische Diözesen

Solange die Wirtschaft strauchelt und auf mehr Jobs wartet, bleibt es an Hilfsorganisationen, sich um die Ärmsten zu kümmern. Hier will künftig auch die katholische Kirche stärker mithelfen. 2016 nahmen die Bischöfe das Projekt in Angriff, binnen drei Jahren in allen Diözesen eine Caritas zu etablieren. Die Kirchenhelfer sollen näher an den Betroffenen sein, wenn sie Not bekämpfen.

"Die Realität, mit der die Armut hier zuschlägt, ruft uns alle auf, Wandel anzustoßen", sagt die nationale Caritas-Koordinatorin Maria de Lurdes Lodi Rissini. Die Ordensfrau ist überzeugt: Eine faire Gesellschaft werde danach beurteilt, wie sie ihre schwächsten Mitglieder behandelt. Das gelte nicht nur für eine Demokratie, sondern auch für die Kirche.


Quelle:
KNA