Eigentlich ist die Sache klar. Den Bundestag dürfen alle deutschen Staatsbürger wählen, die am Wahltag 18 Jahre oder älter sind, vereinfacht gesagt. Doch der Teufel steckt bekanntermaßen im Detail. Und der steht insbesondere in Paragraf 13 des Bundeswahlgesetzes. Demnach ist vom Wahlrecht ausgeschlossen, "wer infolge Richterspruchs das Wahlrecht nicht besitzt". Hinzu kommen Menschen mit einer geistigen Behinderung, die in einer "dauerhaften Vollbetreuung" leben, und "schuldunfähige Straftäter", die in psychiatrischen Krankenhäusern untergebracht sind.
Eilantrag von FDP, Grünen und Linken
Zu diesen beiden letztgenannten Gruppen gehören insgesamt schätzungsweise 85.000 Menschen. Ihnen bleibt der Urnengang bislang verwehrt. Das Bundesverfassungsgericht hat das im vergangenen Februar in seiner Entscheidung für verfassungswidrig erklärt. Wer auf eine von einem Gericht bestellte Betreuung angewiesen sei, könne nicht pauschal von Wahlen ausgeschlossen werden. Am Montag entschied nun das Bundesverfassungsgericht zu einem Eilantrag von FDP, Grünen und Linken, dass sie bereits am 26. Mail bei der Europawahl an die Urnen gehen können.
Zuvor hatten die Regierungsfraktionen zwar ihre Absicht bekundet, den Ausschluss aufzuheben. Der in der vergangenen Woche eingebrachte Gesetzentwurf sieht diese Aufhebung erst zum Juli vor. Die drei kleineren Fraktionen warfen ihnen deshalb eine Missachtung des Bundesverfassungsgerichts und de facto eine Arbeitsverweigerung vor. Es brauche eine "rettende Sofortmaßnahme", so hatte der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae den Eilantrag begründet.
Für eine Änderung eingesetzt
Schon lange hatten sich Verbände und andere Einrichtungen für eine Änderung eingesetzt. Der Leiter der "Monitoring-Stelle der UN-Behindertenrechtskonvention" in Berlin, Valentin Aichele, erklärte mehrfach, dass die von Deutschland unterzeichnete und 2009 hierzulande in Kraft getretene UN-Behindertenrechtskonvention einen solchen pauschalen Ausschluss verbietet. Auch der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Jürgen Dusel, mahnte in den vergangenen Monaten immer wieder eine Umsetzung an.
Auch nach der Karlsruher Entscheidung ist schon jetzt klar, dass viele von ihnen bei einer Umsetzung Hilfe benötigten – angefangen von Informationen in Leichter Sprache bis hin zu einer Betreuung bei der Stimmabgabe. Daran hapert es schon jetzt, wie Irmgard Reichstein von der Stiftung "taubblind leben" erläutert. Taubblinde trifft der Wahlausschluss zwar nicht. "Aber eine Assistenz müssen die meisten Betroffenen selbst finanzieren."