Vater von Kindern mit Down-Syndrom zum Bluttest

"Entscheidung macht mich betroffen"

Trisomie-Bluttests sollen unter bestimmten Voraussetzungen zur Kassenleistung werden. Der Wuppertaler Pastoralreferent Werner Kleine hat selber zwei Kinder mit Down-Syndrom adoptiert. Die gefällte Entscheidung macht ihn sehr betroffen.

Symbolbild Bluttest / © Science Photo (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Vorgeburtliche Bluttests auf das Down-Syndrom sollen künftig bei Risikoschwangerschaften von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt werden. Das entschied der Gemeinsame Bundesausschusses (G-BA) von Ärzten, Kliniken und Kassen. Die Kosten sollten nur bei besonderen Risiken oder zur Abklärung von Auffälligkeiten übernommen werden. Sie haben selbst zwei Kinder mit Down-Syndrom: Wie finden Sie die Entscheidung?

Dr. Werner Kleine (Pastoralreferent in Wuppertal): Diese Entscheidung macht mich persönlich schon auch betroffen. Ich bin, was diese Tests angeht, durchaus ambivalent. Natürlich kann ein solcher Test dazu führen, dass sich die werdenden Eltern auf ein entsprechendes Leben mit Kindern mit Down-Syndrom etwas vorbereiten können. Aber in neun von zehn Fällen führt es eher zur Abtreibung, sodass man da nicht naiv sein darf.

Meine Frau und ich haben zwei Kinder mit Down-Syndrom adoptiert. Als Vater sage ich, das ist ein lebenswertes Leben, in dem der Lebensatem Gottes genauso mächtig schlägt, wie in jedem anderen Leben auch.

DOMRADIO.DE: Nun gibt es die Bluttests schon seit 2012, sie sind nur bislang recht teuer, weshalb sich das nur diejenigen leisten konnten, die das Geld haben. Ist das nicht gerechter, dass jetzt alle Anspruch auf diesen Test haben?

Kleine: Die Frage ist nach wie vor, wohin dieser Test führen soll. Bisher gab es immer die Fruchtwasseruntersuchung, die dann entsprechend indiziert war, wenn es Verdachtsmomente gab. So ein Verdachtsmoment kann zum Beispiel sein, dass auf einer Ultraschallaufnahme eine Nackenfalte entdeckt wird, die typisch für das Down-Syndrom ist oder dahin deuten kann.

Es könnte auch sein, dass eine Risikoschwangerschaft vorliegt. Das heißt, dass die Mutter oder die werdende Mutter älter als 35 Jahre ist. Dann wurden bisher diese Fruchtwasseruntersuchungen indiziert, die natürlich auch für die Leibesfrucht nie ganz ungefährlich waren. Jetzt hat man diese Möglichkeit, mit Hilfe eines Bluttests die Fruchtwasseruntersuchung zu vermeiden. Das mag man in sich erst mal als Fortschritt werten, weil natürlich die Fruchtwasseruntersuchung nicht ganz ungefährlich für die Leibesfrucht war.

Die große Sorge ist, dass es zu einfach wird, Menschen, die nicht dem gängigen Standard entsprechen, auszusortieren. Die Sorge habe nicht nur ich als Vater von zwei Menschen mit Down-Syndrom. Es sind eben neun von zehn Fälle, in denen eine Abtreibung folgt. Da würde ich mir wünschen, dass in Zeiten, wo so oft über Inklusion gesprochen wird, doch auch die Aufklärung in einem stärkeren Maß deutlich wird, was eigentlich ein Leben mit Menschen mit Down-Syndrom heißt. Es ist ein sehr lebenswertes Leben mit großer Lebensfreude. 

DOMRADIO.DE: Sie haben zwei Kinder mit Down-Syndrom adoptiert. Sie haben sich also bewusst für zwei Kinder entschieden, die andere Menschen ablehnen. Warum?

Kleine: Ich bin Christ und meine Frau ist Christin. Wir beide sind gut katholisch und als wir uns entschlossen haben, Kinder zu adoptieren, tauchte irgendwann die Frage auf: Wären Sie auch bereit ein Kind mit einer Behinderung zu adoptieren? Meine Frau und ich haben uns damals daraufhin damit beschäftigt. Wenn es dem Herrgott gefällt, dass wir schwanger werden und das Kind dann behindert wäre, würden wir es auch nicht zurückschicken. Also sind wir offen für diese Frage. Unser Leben hat sich dann so ergeben, dass vor 25 Jahren das Jugendamt in Bremen anrief und ein kleiner Junge mit Down-Syndrom eine neue Mama und einen neuen Papa gesucht hat. So ist das Leben dann vorangegangen.

Ich weiß noch als meine Frau und ich nach Bremen gefahren sind, damals mit bebenden Herzen und all der Unsicherheit, die man so bei einem ersten Kind hat. Sie hat noch gesagt: Wir gucken erst mal. Ich werde diesen Moment nie vergessen, wie die Tür zu dem Krankenzimmer aufging, ich ihn das erste Mal gesehen habe. In dem Moment war ich Papa. Die Schwangerschaft war bei uns sehr kurz und hat 48 Stunden gedauert. So ein bisschen stelle ich mir das vor, wie bei der Geburt des eigenen Kindes dabei gewesen zu sein. Ich weiß, es ist sicher noch ganz anders. Aber in dem Moment, wo die Tür aufging und ich ihn da sah, war mein Herz verloren.

DOMRADIO.DE: Was glauben Sie, müsste sich ändern, damit sich mehr Menschen für ein solchen "unperfektes" Leben entscheiden?

Kleine: Wir sind eigentlich in der Gesellschaft auf einem guten Weg dahin. Ich glaube, dass die Menschen viel mehr Kontakt mit Menschen mit Down-Syndrom brauchen. Aber ich sage mal bewusst mit "normalen" Menschen mit Down-Syndrom. In den Medien werden natürlich sehr oft Menschen mit Down-Syndrom gezeigt, die sind schon auch außergewöhnlich vorangeschritten oder haben eine Form des Down-Syndroms, die etwas kommunikativer ist.

Mein Sohn zum Beispiel hat Schwierigkeiten, sich verbal zu äußern. Er kann sich sprachlich nicht so ausdrücken, er braucht immer einen Dolmetscher. Meine Tochter hat es da zum Beispiel etwas einfacher. Auch beim Down-Syndrom gibt es sehr große Bandbreiten – zwischen schweren geistigen Behinderungen und den "Ausreißern" nach oben.

Ein berühmtes Beispiel ist ein Mann mit Down-Syndrom, der in Spanien Abitur gemacht hat und dort als Lehrer arbeitet. Man kann aber eben nicht davon ausgehen, dass man mit entsprechender Förderung jeden Down-Syndrom-Menschen dazu kriegt, Abitur zu machen. Das kriegt man ja in der "anderen Welt" auch nicht hin. Die meisten Menschen haben eine geistige Behinderung, können damit aber sehr gut leben.

Wir bewegen uns mit unseren Kindern sehr stark in der Öffentlichkeit. Ich habe in den 25 Jahren wirklich nur ein, zwei Fälle erlebt, die äußerst unangenehm waren. Sie waren aber auch für die Menschen, die uns angegangen sind, äußerst unangenehm. Mein Sohn kann da sehr deutlich werden, wenn ihn jemand blöd anguckt. Er fragt mich dann, warum dieser Mensch blöd guckt. Ich sage ihm immer: Frag ihn einfach. Wenn er das dann tut, hat es sich meistens selbst erledigt.

DOMRADIO.DE: Was würden Sie Eltern erzählen, die vor so einer Entscheidung stehen, weil sie die Diagnose gerade bekommen haben?

Kleine: Meine Frau und ich kannten vorher schon Menschen mit Down-Syndrom. Wenn man noch gar keine Erfahrung hat, würde ich empfehlen sich an Leute zu wenden, die Erfahrung damit haben. Wir bieten uns selbst immer wieder auch als Gesprächspartner an. Wenn jemand Informationen braucht, sind wir offen, aus unserem Leben zu erzählen. Aber auch ansonsten können die Beratungsstellen der Caritas, Esperanza und auch andere sicherlich entsprechende Kontakte vermitteln.

Es ist oft einfach nur eine Frage der Information, da sind sehr irrationale Ängste, aber verständliche Ängste, im Raum. Jeder Mensch träumt davon, ein Kind zu haben, das einen guten Weg ins Leben geht. Wenn dann von vornherein klar ist, dieses Kind hat eine Behinderung und man muss eben diese besondere Schleife im Leben gehen, ist das nichts, was alltäglich ist. Da helfen einfach Informationen. 

Das Interview führte Dagmar Peters.


 

Dr. Werner Kleine / © Christoph Schönbach (privat)
Dr. Werner Kleine / © Christoph Schönbach ( privat )
Quelle:
DR
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