Brennende Wahlbehörden, wütende Proteste und ein bolivianischer Präsident Evo Morales in Erklärungsnot. Nach der Präsidentschaftswahl in dem südamerikanischen Land macht die Opposition dem sozialistischen Amtsinhaber schwere Vorwürfe. Der konservative Herausforderer Carlos Mesa, Präsident des südamerikanischen Landes von 2003 bis 2005 und damit Vorgänger von Morales, spricht von Wahlbetrug und ruft seine Anhänger auf, die Demokratie zu verteidigen.
In Bolivien gewinnt jener Kandidat die Wahl, der mehr als 40 Prozent der Stimmen erlangt und dabei über mindestens zehn Prozentpunkte Vorsprung verfügt. Noch am Wahlabend am Sonntag hatte die staatliche Wahlbehörde in Aussicht gestellt, dass keiner der Kandidaten diese Hürde genommen habe. Mesa jubelte mit seinen Anhängern über eine Stichwahl, in der er dank der angekündigten Unterstützung der anderen unterlegenen Kandidaten eine realistische Chance hätte, Morales nach 14 Jahren an der Macht abzulösen.
Statt Stichwahl plötzlicher Wahlsieg?
Nach einem Stopp des Auszählungsprozesses änderte sich allerdings das Szenario. Nach Auszählung von 95,22 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen führte plötzlich Morales mit 46,86 Prozent vor Mesa mit 36,73 Prozent. Ganz knapp hätte Morales damit seinen Vorsprung über die Zehn-Prozenpunkte-Hürde gerettet.
Kriche beobachtete Hinweise auf Wahlbetrug
Inzwischen mehren sich die Stimmen, die von Ungereimtheiten und Wahlbetrug sprechen. Die katholische Kirche des Landes meldete sich in einer Stellungnahme zu Wort: Die Bischöfe hätten, "zusammen mit vielen Bürgern, Hinweise auf einen Betrug in den übermittelten Daten beobachtet". Es habe zusammen mit der Unterbrechung des Auszählungsprozesses eine Diskrepanz zwischen der Schnellauszählung und den später verkündeten Ergebnissen gegeben. Zudem habe es Hinweise und Bilder gegeben, die den Eindruck vermittelten, dass die Auszählung illegal verlaufen sei.
Die Kirche reiht sich damit ein in die Stimmen der Kritiker. Der Lateinmerika-Direktor der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, Jose Miguel Vivanco, schrieb via Twitter, es deute vieles darauf hin, dass diese Wahl gestohlen werden solle. Die Wahlbeobachter der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) veröffentlichten eine Stellungnahme, in der sie nicht nur eine Ungleichbehandlung der Kandidaten vor der Wahl kritisierten. Sie forderten zudem eine Erklärung von der Wahlbehörde, warum es eine so "drastische Änderung" bei den Resultaten gegeben habe. In den sozialen Netzwerken tauchten derweil Videos auf, die Kisten mit bereits vorab für die Regierungspartei MAS ausgefüllten Stimmzetteln zeigen.
Verfassung für vierte Amtszeit ausgetrickst
Morales Kandidatur war ohnehin umstritten. Vor drei Jahren hatte Morales' Partei MAS bereits zu einem Referendum an die Urnen gerufen. Damals ging es darum, die in der Verfassung vorgeschriebene Amtszeitbegrenzung auszusetzen, um Morales eine erneute Kandidatur bei den jetzigen Wahlen überhaupt erst zu ermöglichen. Die Bolivianer aber lehnten den Vorstoß der regierenden Sozialisten knapp ab. Damit wäre Morales' Amtszeit eigentlich im Jahr 2019 beendet gewesen.
Doch der Regierungschef brach sein vor der Abstimmung gegebenes Wort, das Resultat zu akzeptieren und trat mit Hilfe juristischer Schützenhilfe doch noch einmal an. Herausforderer Mesa kündigte nun an, das bolivianische Volk werde kein weiteres Szenario wie 2016 akzeptieren. Der Präsident selbst hielt sich am gestrigen Montag zurück. Er hatte bereits am Sonntagabend seinen Sieg verkündet, obwohl alle Indizien auf eine Stichwahl hindeuteten. Auch dieser Auftritt nährte das Misstrauen gegenüber dem nun offiziellen Wahlergebnis.