Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat in Budapest eine hochrangig besetzte internationale Konferenz über Christenverfolgung eröffnet. Bis Donnerstag nehmen daran diverse Kirchenführer insbesondere aus der Nahostregion und Afrika sowie Regierungsvertreter teil; sie kommen unter anderem aus Polen, Italien, Nigeria, dem Libanon und den USA.
"Wir haben 245 Millionen Gründe, uns hier zu versammeln: So viele Menschen werden wegen ihres christlichen Glaubens täglich verfolgt", sagte der ungarische Staatssekretär Tristan Azbej zum Auftakt am gestrigen Dienstag. Es handele sich um die "am meisten vernachlässigte menschenrechtliche und zivilisatorische Krise unserer Zeit".
Regierungschef Orban sagte laut ungarischen Medienberichten, statistisch seien weltweit vier von fünf wegen ihres Glaubens Verfolgte Christen. Europa schweige dazu. Dabei könne die Verfolgung von Christen in Afrika und im Nahen Osten nicht von der Situation in Europa getrennt werden.
"Invasion muslimischer Einwanderer"
Einmal mehr warnte Orban vor einer "Invasion muslimischer Einwanderer" in Ungarn. Es habe das Recht, sich zu verteidigen und die christliche Kultur zu schützen. Bei Christenverfolgung gehe es nicht nur um Angriffe gegen einzelne Menschen oder Gemeinschaften. Vielmehr werde "unsere Kultur durch Stigmatisierung, Demütigung und Verfolgung angegriffen", so der Ministerpräsident.
Orban verwies auf die Aktion "Hungary helps", mit der seine Regierung Christen im Irak und in Syrien unterstütze. Rund 40 Millionen US-Dollar seien bislang für Hilfsprojekte geflossen. Ungarn gebe verfolgten Christen, was sie bräuchten, nämlich Häuser, Krankenhäuser, Schulen, so der Regierungschef. "Und sie geben uns, was Europa heute am meisten braucht: christlichen Glauben, Liebe, Beharrlichkeit". Europa könne nur dann gerettet werden, wenn es "zur Quelle seiner wahren Werte zurückkehrt: seiner christlichen Identität".
Budapester Erzbischof kritisiert Gleichgültigkeit
Auch Ungarns Primas, Kardinal Peter Erdö, rief dazu auf, der Verfolgung von Christen, aber auch feindlichen Haltungen gegenüber Gläubigen nicht gleichgültig gegenüberzustehen. Physische, aber auch verbale Angriffe auf Christen dürften nicht so behandelt werden, als wäre nichts geschehen, so der Budapester Erzbischof.
Der syrisch-orthodoxe Patriarch Ignatios Aphrem II. Karim sagte in seiner Eröffnungsrede zur Verfolgung von Christen im Nahen Osten. "Unsere Schreie wurden von vielen nicht gehört." Nur wenige Verantwortungsträger hätten Schritte unternommen, um der Bedrohung der Existenz des Christentums in seiner Ursprungsregion etwas entgegenzusetzen.
Förderung der Zusammenarbeit
Ziel der Konferenz, der zweiten ihrer Art nach 2017, ist nach Angaben der Organisatoren, Regierungen sowie Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen enger zu verknüpfen. Menschen in Krisenregionen müssten durch die Koordination von Ressourcen und Aktivitäten und gemeinsame Aktionen besser geschützt werden.
Erwartet werden auch der Leiter des Außenamts der russisch-orthodoxen Kirche, Metropolit Hilarion Alfejew, und der langjährige Untersekretär im vatikanischen Staatssekretariat, Erzbischof Antoine Camilleri. Er wurde kürzlich zum neuen Nuntius in Äthiopien ernannt.
"Red Wednesday"
Die Konferenz in Budapest fällt mit dem vom Päpstlichen Hilfswerk "Kirche in Not" weltweit begangenen "Red Wednesday" zusammen, der an die Situation der verfolgten Christen erinnert. In Budapest wird aus diesem Anlass am heutigen Mittwochabend die Kettenbrücke blutrot angestrahlt.