DOMRADIO.DE: Das erste Mal auf einem Wagen beim Rosenmontagszug. Wie groß wird die Aufregung wohl sein?
Ataman Yildirim (Gründer des muslimischen Karnevalsvereins "Orient-Okzident Express"): Das ist für uns eine sehr große Freude und auch eine ganz besondere Ehre, gemeinsam im Toleranzwagen mit den Vertretern der anderen Religionsgemeinschaften mit dabei zu sein.
DOMRADIO.DE: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, jetzt auch einen muslimischen Karnevalsverein zu gründen?
Yildirim: Wir sind kein rein muslimischer Karnevalsverein. Wir verstehen uns als einen Verein, der für alle offen ist. Wir haben Juden, Christen, auch Atheisten bei uns. Uns geht es darum, dass wir gemeinsam Karneval feiern. Die Idee ist bei mir entstanden mit meinem Umzug ins Rheinland. Ich habe bis 2013 im Ruhrgebiet gewohnt, im tiefen Ruhrgebiet, in Herten. Da kannte ich Karneval nur aus dem Fernsehen.
Seitdem ich im Rheinland und auch mit dem Karneval lebe, habe ich mich in den Karneval verliebt. Denn auch die Jahre zuvor hat man immer über Integration und soziale Teilhabe gesprochen. Aber im Karneval habe ich die gelungene Integration gefunden, wo jeder in seiner Art jeck sein kann und darf.
DOMRADIO.DE: Was wird dann einen muslimischen Karnevalsverein ausmachen?
Yildirim: Wir haben viele Träume. Wir würden gerne selber Orden machen und Karnevalssitzungen. Ein Traum wäre ein eigener Karnevalswagen. Aber alles lebt ja von Ressourcen und der Vernetzung mit den anderen Karnevalsvereinen. Ich möchte auf keinen Fall so eine One-man-show machen. Ich möchte mich mit den anderen Karnevalsvereinen vernetzen. Deshalb würde ich mich freuen, wenn wir auch Einladungen zu den anderen Karnevalsvereinen und -sitzungen bekommen.
In der Integrationsdebatte gibt es immer wieder den Vorwurf, die Migranten integrieren sich nicht. Wir sagen aber, wir möchten dazugehören. Aber das geht nicht, wenn man über Integration und Teilhabe nur spricht. Für mich läuft das Leben über das Tun ab.
DOMRADIO.DE: Für viele ist Karneval ganz eng verbunden mit ganz viel Alkohol, mit Bützen und anderen kleinen Sünden. Ist das ein Problem für gläubige Muslime?
Yildirim: Das kann sein. Aber Fakt ist: Wir leben im Jahr 2020. Und das macht unsere Freiheit aus. Wir sagen, jeder kann jeck sein. Der Eine kann Buttermilch trinken, der Andere Bier, der Andere Whiskey, der Andere nur Wasser. Das ist mir egal. Wichtig ist, dass gemeinsam feiern. Und das kann für andere Muslime komisch wirken. Aber ich sage mir, ich lebe hier in Europa, ich lebe in Deutschland, ich lebe im Rheinland, und wir können zusammenleben und trotzdem die Grenzen des Anderen respektieren.
Das Interview führte Hilde Regeniter.