Wie man die Bibel in den Alltag integrieren kann

"Das Erschließen einer neuen Welt"

Die Bibel – ein Buch das erzählt, wie Gott den Menschen begegnet. An diesem "Wort-Gottes-Sonntag" steht sie im Mittelpunkt. Sind die dort geschriebenen Geschichten und Erfahrungen heute noch verständlich? Und wie kann man sich dem Buch der Bücher nähern? 

Gemeinsames Bibellesen (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Haben Sie die Bibel von Anfang bis Ende gelesen?

Kristell Köhler (Bibelwissenschaftlerin und Referentin für Glaubenskommunikation, Abteilung Erwachsenenseelsorge im Erzbistum Köln): Ja, tatsächlich. Bevor ich damals ins Theologiestudium gestartet bin, gab es kluge Menschen in meiner Umgebung, die gesagt haben, wenn du das Studium beginnst, wäre es gut die Bibel mal von Anfang bis Ende zu lesen. Das habe ich tatsächlich gemacht.

DOMRADIO.DE: Wie lange hat es gedauert?

Köhler: Das weiß ich nicht mehr, das ist zu lange her. Ich habe zwischendurch auch andere Dinge gelesen als nur die Bibel, aber doch zumindestens von vorne bis hinten.

DOMRADIO.DE: Gab es denn Stellen, die Sie lieber ausgelassen hätten?

Köhler: Es gibt schon Dinge, die sind eher ermüdend im Lesen. Ohne da jetzt den Büchern der Chronik zu nahe zu treten, aber so Geschlechterfolgen können auch ein bisschen anstrengend sein. Es hilft auf jeden Fall, wenn man in Quizsendungen bestehen will, glaube ich. Natürlich gibt es auch in anderen Passagen Stellen, die vielleicht ein bisschen langwieriger erzählt sind. Das kennt man aber ja auch von anderen guten und vielleicht ein bisschen umfassenderen Büchern. Manchmal denkt man, jetzt lese ich drei Seiten eher so ein bisschen kursorisch. Das hilft.

DOMRADIO.DE: Wie gelingt es heute, die Bibel verständlich zu machen? Es ist ja ein Werk, was wirklich schon sehr alt ist. Es gibt vielleicht Passagen, die sind nicht mehr so ganz in unserer heutigen Zeit. Liege ich da falsch?

Köhler: Nein, da liegen Sie, glaube ich, schon richtig. Manchmal hilft es, wenn man Geschichten nochmal neu nacherzählt und mit eigenen Worten das, was wir dort lesen, einfach wiedergibt. Über dieses Nacherzählen kommt man in die eigentliche Geschichte hinein. Wir kennen das ganz klassisch aus Kindergottesdiensten oder katechetischen Zusammenhängen, wo biblische Geschichten einfach mit eigenen Worten neu aufbereitet werden. Die wesentlichen Punkte und Schwerpunkte werden natürlich herausgearbeitet. Das finde ich auch total spannend. Gerade wenn man mit Kindern biblische Geschichten erobert, so würde ich sagen, haben sie auch ein gutes Gespür dafür, was eigentlich wichtig ist in der Geschichte.

Ansonsten ist es natürlich auch spannend, mal auf die historischen Fakten zu schauen. Also wirklich zu überlegen, was waren denn die Perser für Herrscher – vielleicht auch im Gegensatz zu den Griechen oder Römern. Manchmal hilft es die Zusammenhänge und Hintergründe einer biblischen Geschichte zu verstehen.

Genauso schön kann es aber auch sein, wenn man sich einen biografischen oder persönlichen Ansatzpunkt heraussucht. Ich habe einmal mit Menschen arbeiten dürfen, die in der Pflege aktiv sind, also das als ihren Hauptberuf ausüben. Sie haben zugleich eine Fortbildung gemacht, um Begleiter in der Seelsorge zu sein. Mit ihnen habe ich Texte zum Thema Alter und Krankheit in der Heiligen Schrift gelesen. Das war eine ganz tolle, aufmerksame Arbeit mit der Heiligen Schrift. Viele haben am Ende gesagt, das sind Geschichten, die kannten wir gar nicht. Das ist aus dem Leben heraus gegriffen und es ist an der heutigen Realität alter und hilfsbedürftiger Menschen, dass das ganz neue Horizonte eröffnet.

DOMRADIO.DE: Haben Sie konkrete Tipps für den Einstieg ins Bibellesen?

Köhler: Ich würde sagen, es ist natürlich immer ganz schön, wenn man sich vielleicht andere Menschen sucht, mit denen man gemeinsam mal in die Heilige Schrift hineinschaut. Gerade wenn man sich noch gar nicht damit beschäftigt hat, kann es schön sein in einem kleinen Bibelkreis – vielleicht ganz klassisch in einer Gemeinde – aber auch mit Freunden zusammen hineinzuschauen. Man kann auch einfach mit einem Buch beginnen, das man schon kennt – also mit dem Evangelium, mit einem prophetischen Buch oder vielleicht einfach mit der Genesis. Da kennen wir ja ganz viele Geschichten schon seit Kindertagen.

Es kann aber auch spannend sein, sich einfach mal alleine mit der Heiligen Schrift hinzusetzen, vielleicht an einen schönen und ruhigen Ort. Man kann einfach mal quer gucken, bei welcher Stelle bleibe ich gerade hängen? Man darf nicht sofort aufgeben, wenn man den Eindruck hat, das klingt seltsam oder wenn man nicht weiß, worum es wirklich geht. Einfach mal in Ruhe dazusitzen, zu lesen, nochmal zu lesen und sich darüber auch den Text innerlich zu erschließen – versuchen wirklich mit dem Herzen zu lesen. Man findet meistens auch Antworten oder Ansatzpunkte für die Dinge, die man im ersten Zugang als sperrig oder unverständlich empfunden hat.

DOMRADIO.DE: Ist die Bibel auch ein Helfer im Alltag und im Leben?

Köhler: Das kann man schon sagen. Ich glaube, wer die Bibel liest, der wird mutiger, aber nicht übermütig. Das finde ich eigentlich ganz schön. Es gibt so viele Geschichten von Menschen in der Heiligen Schrift, die entdecken, dass sie ihr Leben neu in die Hand nehmen und  ihr Leben wagen können. Ob wir das über Abraham lesen, der uns ja sehr vertraut ist, oder über die Apostel.

Am heutigen Sonntag lesen wir von der Berufung der Jünger. Sie müssen einfach alles auf den Kopf stellen oder sind eingeladen, alles auf den Kopf zu stellen. Sie werden mutig und verlassen ihre Eltern, ihr Hab und Gut und ziehen mit Jesus mit. Gleichzeitig lernen wir auch, dass sie nicht übermütig werden dürfen, in diesem Losziehen und vielleicht auch auf Gott vertrauen. Es braucht eine Bodenständigkeit und eine Realität hinter diesem Mut, den man geschenkt bekommt.

DOMRADIO.DE: Oftmals wird die Bibel mit etwas sehr Ernstem verbunden. Kann denn Bibellesen auch Spaß machen?

Köhler: Auf jeden Fall. Ich finde, ganz oft sind es Geschichten, wo jemand Anderes vielleicht etwas an einer anderen Stelle betont, schon beim Vorlesen. Plötzlich denkt man, was ist denn hier eigentlich los? In der Geschichte, in der Jesus mit dem verstorbenen Lazarus konfrontiert wird, heißt es an einer Stelle: "Herr, er riecht schon." Wenn man die Stelle ein paar Mal gehört hat, liest man vielleicht darüber weg. Jemand, der das das erste Mal liest und vielleicht auch in einer bestimmten Art und Weise betont, denkt sich, warum wird jetzt ausgerechnet auf dieses Riechen und den vermeintlichen Verwesungsgeruch so viel Wert gelegt.

Eine andere Geschichte – auch aus dem Neuen Testament: Die Engel am leeren Grab im Lukas-Evangelium sind sogar fast ein bisschen patzig zu den Frauen, die ankommen. Sie sagen nämlich: "Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?" Wenn man das anders betont, klingt es eigentlich so, als wäre es unerhört, dass die Frauen am Ostermorgen zum Grab gehen und dort nach dem Herrn zu schauen.

DOMRADIO.DE: Wie würden Sie den Satz vollenden: "Bibellesen heißt für mich ..."?

Köhler: ... das Erschließen einer neuen Welt. 


Kristell Köhler (Referentin für Glaubenskommunikation, Abteilung Erwachsenenseelsorge im Erzbistum Köln) / © Tomasetti (DR)
Kristell Köhler (Referentin für Glaubenskommunikation, Abteilung Erwachsenenseelsorge im Erzbistum Köln) / © Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR
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