"Vandalismen an religiösen Stätten haben in Deutschland krass zugenommen", schreibt Jakob Johannes Koch, Kunstexperte der Deutschen Bischofskonferenz, in der Monatszeitschrift "Herder Korrespondenz".
Im Kölner Dom, der wohl meistbesuchten Kirche hierzulande, kommt Videoüberwachung schon seit den 1980er Jahren zum Einsatz. Nun liebäugeln damit auch immer mehr Pfarreien. Das ruft kirchliche Datenschützer auf den Plan.
"Ziemlicher Wildwuchs"
Ein "ziemlicher Wildwuchs" sei da entstanden, berichtet Stefan Frühwald. Als Datenschutzbeauftragter des Bistums Augsburg stoße er bei Besuchen in Pfarreien immer wieder auf solche Installationen. Die ihm bekannt gewordenen Fälle hat er hochgerechnet. Demnach wären allein in bis zu 300 Kirchen und Kapellen in Bayerisch-Schwaben inzwischen Überwachungsgeräte im Einsatz.
Im hessischen Petersberg-Margretenhaun gab es in einer katholischen Kirche ein Dutzend Fälle von Vandalismus. Nach zwei Jahren gelang die Überführung des 16-jährigen Täters durch eine von der Polizei platzierte verdeckte Kamera. Mit solchen Erfolgsgeschichten werben Anbieter von Sicherheitstechnik. Dabei ist verstecktes Filmen auch in der Kirche nur der Staatsgewalt erlaubt.
Kameras selten beschildert
Die von Frühwald in Kirchen seines Bistums inspizierten Kameras waren "in den allerseltensten Fällen beschildert", sagt er. Ein klarer Verstoß gegen das Kirchliche Datenschutzgesetz (KDG), das in Paragraf 52 einen eigenen Abschnitt der Videoüberwachung widmet. Demnach müssen Betroffene durch deutliche Hinweise "zum frühestmöglichen Zeitpunkt" informiert werden, dass sie unter Beobachtung stehen.
Im mittelfränkischen Hilpoltstein entschloss sich die Stadtpfarrei Sankt Johannes der Täufer nach langer Diskussion für eine technische Lösung. Anfang 2018 hatten Unbekannte Figuren aus der aufgebauten Krippenlandschaft zerstört und auch an einem Altar Schäden angerichtet. Außerhalb der Gottesdienstzeiten war die Kirche daraufhin zugesperrt worden. Damit aber würden die Falschen bestraft, meinen die Verantwortlichen in solchen Fällen.
Regelungen unterschiedlich
Seit Spätherbst nehmen nun in Sankt Johannes Videokameras Kirchenbesucher ins Visier - von den Beichtstühlen aus. Hinweise an und im Gotteshaus klären darüber auf. In der Eichstätter Bistumsleitung weiß man um die "sensible Thematik", geht aber davon aus, dass sich die Gemeinde an Recht und Gesetz hält, wie ein Sprecher erklärt. Und nicht etwa vor dem Beichtstuhl Wartende aufgezeichnet werden.
In Augsburg ist man einen Schritt weiter gegangen. Im neuen Amtsblatt der Diözese findet sich eine "Durchführungsbestimmung für den Erwerb und den Betrieb von Anlagen zur Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen". Demnach müssen sich die Pfarrgemeinden Videoüberwachung von der bischöflichen Finanzkammer als zuständiger Aufsichtsbehörde genehmigen lassen. Dabei ist auch der Datenschutzbeauftragte einzubeziehen.
Anlagen müssen nachgenehmigt werden
Für den Antrag haben die Pfarreien einen Katalog aus 18 Fragen zu beantworten. Die bereits installierten Anlagen müssen nachgenehmigt werden. Sollte der Überwachungszweck zwischenzeitlich entfallen sein, müssen sie abgebaut werden. "Das wird auf wenig Gegenliebe stoßen", vermutet Frühwald.
Wichtig ist ihm eine bewusste Auseinandersetzung vor Ort über das, was wirklich notwendig ist. Geht es vielleicht nur um ein Störgefühl, weil in der Nachbarschaft irgendwann mal was passiert ist? "Nix ist einfacher, als eine Kamera anzuschaffen." Zugleich versichert der Beauftragte, dass jeder Einzelfall sorgfältig geprüft werde.
Zweifel an abschreckender Wirkung
An der abschreckenden Wirkung solcher Anlagen lässt Frühwald Zweifel durchblicken. Doch auch er kennt Situationen, in denen sie «absolut sinnvoll» seien. Für die schmucke Barockkirche Sankt Coloman bei Füssen hat er sein Plazet gegeben. Die Kirche steht "auf der grünen Wiese", und die Rentner, die früher ehrenamtlich während der Öffnungszeiten die Aufsicht übernahmen, fanden keinen Nachwuchs mehr für diese Aufgabe.