Das Dokument habe einen Standard gesetzt, hinter den die Kirche nicht mehr zurücktreten könne, erklärte der deutsche katholische Sozialbischof Franz-Josef Overbeck am Mittwoch während eines Online-Kolloquiums der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle aus Mönchengladbach.
Von Politik und Wissenschaft sei die Enzyklika viel beachtet worden. Dabei beanspruche die Kirche keine Klima- oder Wirtschaftsexpertise. "Wir sind Expertin der Menschlichkeit", sagte Overbeck. Die Enzyklika "Laudato si" vom 24. Mai 2015 beschäftigt sich mit den Themen Nachhaltigkeit, Umwelt und Klimaschutz.
"Schrei der Umwelt und der Armen"
Der Leiter der Vatikanbehörde für Entwicklung, Kurienkardinal Peter Turkson, zog eine Parallele zu dem Ausruf "Ich kann nicht atmen" des getöteten Afroamerikaners George Floyd. In seiner Enzyklika spreche der Papst vom Schrei der Umwelt und der Armen. Mit zunehmender Verschmutzung, Umweltzerstörung und Klimawandel könne die Erde nicht atmen, sagte Turkson. "Ebenso können die Armen, die von Gerechtigkeit und Gleichheit vertrieben werden und nach einer sinnvollen Existenz hungern, auch nicht atmen."
Humane und ökologische Gerechtigkeitsfragen gehören zusammen
Eine zentrale Erkenntnis aus "Laudato si" laute, dass humane und ökologische Gerechtigkeitsfragen zusammengehörten, erklärte die Theologin Marianne Heimbach-Steins aus Münster. Die Umwelt- und Sozialenzyklika präsentiere die Kirche als lernfähige und lernbereite Dialogpartnerin für die Wissenschaft. Die Professorin mahnte zu mehr Reflexion darüber, ob die Kirche selbst den Ansprüchen des Dokuments gerecht werde.
Bezug zur Corona-Krise
Der österreichische Sozialethiker Clemens Sedmak von der US-amerikanischen Notre-Dame-Universität stellte einen Bezug zur Corona-Krise her. "Die in 'Laudato si' ausgedrückte Überzeugung, dass alles miteinander verbunden ist, wurde im Jahr 2020 auf schaurige Weise illustriert", sagte er. So stehe die Pandemie in Zusammenhang etwa mit globaler Mobilität.
"Die Corona-Pandemie wirkt wie ein Brennglas", mahnte auch die Freiburger Theologin Ursula Nothelle-Wildfeuer. Die gehäuften Infektionen in Schlachthöfen offenbarten ein Konzept von Ökonomie, das einer ganzheitlichen Ökologie zuwiderlaufe.