DOMRADIO.DE: Herr Podschun, tun junge Menschen denn zu wenig für Ältere?
Gregor Podschun (BDKJ-Bundesvorsitzender): Ich glaube nicht, dass junge Menschen zu wenig für Ältere tun. Sie setzen sich sehr für Generationengerechtigkeit ein und für eine insgesamt lebenswerte Gesellschaft. Sie setzen sich für eine menschenfreundliche Gesellschaft ein – und nicht nur ihre eigenen Interessen. Dies tun sie natürlich aus ihrer eigenen Perspektive heraus. Aber viele junge Menschen, insbesondere auch in den Jugendverbänden, haben sich in der Vergangenheit engagiert. Das hat die 72-Stunden-Aktion gezeigt. Das zeigt auch "Fridays-for-Future", wo junge Menschen sich für eine klimagerechte Gesellschaft einsetzen, nicht nur aus ihrem eigenen Interesse heraus, sondern weil sie glauben, dass es für alle gut ist.
Auch wenn wir auf die kirchliche Seite gucken: Im Synodalen Weg setzen sich die jungen Menschen ja für eine insgesamt zukunftsfähige Kirche ein, nicht nur für sich selber. Ich glaube schon, dass es coronabedingt derzeit eine Art "physical distancing" gibt, die auch gerade wichtig ist. Aber ich glaube, der Begriff "social distancing", der oft verwendet wird, ist falsch, weil wir uns sozial ja gar nicht distanzieren sollten.
DOMRADIO.DE: Das Ganze ist ja auch nicht einseitig, sondern junge Menschen können ja von alten Menschen auch profitieren. Alte Menschen seien für die jung wie Wurzeln, das hat Papst Franziskus gesagt. Ohne diese könnten sie nicht wachsen und blühen. Dann hat er noch ein bisschen spontanen Beifall für alle Großeltern dieser Welt eingefordert. Was ist Ihrer Meinung nach denn so das Wichtigste, was wir von unseren Großeltern lernen können?
Podschun: Ich glaube, dass es ganz wichtig ist für junge Menschen, aus der Geschichte heraus zu lernen. Denn die Geschichte bedingt ja die Gegenwart, und da ist, glaube ich, eine Biografiearbeit mit den Menschen sehr wichtig, die schon einiges erlebt haben. Daraus kann man lernen und daraus auch die eigene Gesellschaft weiter entwickeln.
Es ist wichtig, die Perspektiven älterer Menschen wahrzunehmen, sie aus heutiger Sicht zu beurteilen und dann auch Schlüsse für das eigene Engagement daraus zu ziehen. Tatsächlich ist ja auch die Perspektive älterer Menschen sehr divers und gar nicht so einseitig, wie es oft dargestellt wird. Ich glaube, das sind wertvolle Erfahrungen, die junge Menschen für ihr eigenes Leben mitnehmen können und auch für die Gestaltung der Gesellschaft.
DOMRADIO.DE: Der Papst hatte noch ein paar Ideen: Telefoniert, macht Videoanrufe, schreibt Textnachrichten, hört älteren Menschen zu und, wo möglich, besucht sie unter Einhaltung der Gesundheitsvorschriften. Welche Initiativen gab es denn in den letzten Monaten aus den Reihen der katholischen Jugend?
Podschun: Da ist einiges gelaufen. Als Beispiel kann ich da den BDKJ Limburg und seine Jugendverbände nennen. Die haben die Aktion "Uns schickt der Himmel" im Nachgang der 72-Stunden-Aktion ins Leben gerufen und ein Hilfe-Netzwerk eingerichtet, wo Menschen sich vor Ort vernetzen können – mit der Caritas und der Gemeinde, mit anderen Organisationen. Das können sie auch öffentlich machen, um Einkäufe zu erledigen. Dann gibt es Botengänge oder auch technische Unterstützung, Gespräche, Gebete oder digitale Gruppenstunden.
Auch in meinem Heimatverband, dem BDKJ Berlin und den Jugendverbänden, gab es eine Kooperation zwischen der Malteser Jugend und der Caritas. Sie haben das Projekt "Crossing Generations" ins Leben gerufen, einen Besuchsdienst für ältere Menschen. Es gibt das neue Projekt "72 gute Taten in 2020" und natürlich auch Projekte, wo Einkaufsmöglichkeiten geschaffen wurden oder auch Redezeit für ältere Menschen zur Verfügung gestellt wird. Alles geschieht natürlich unter Einhaltung der nötigen Abstandsmaßnahmen.
DOMRADIO.DE: Da passiert also schon ganz viel. Sie sind ja jetzt neu an der Spitze des Dachverbandes der Katholischen Jugend, des BDKJ. Sie wurden ganz frisch gewählt. Welchen Themen wollen Sie sich denn jetzt ganz besonders widmen? Wo können Sie vielleicht das Team des BDKJ-Bundesvorstands dann noch ergänzen?
Podschun: Ein großes Thema, was natürlich auf der Agenda steht, ist der Synodale Weg. Ich darf ja schon Mitglied des Synodalen Weges sein und auch in einem Synodalforum mitarbeiten. Da glaube ich schon, dass wir eine große Chance haben, die Kirche nach der Vision der Jugendverbände noch einmal zu gestalten und vor allen Dingen auch einen Schutzraum für Kinder und Jugendliche zu schaffen. Die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt innerhalb der Kirche steht natürlich im Fokus, auch innerhalb des BDKJ und seiner Jugendverbände. Da müssen wir natürlich die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt betreiben.
Dann ist es auch die Hauptaufgabe, die Jugendverbände vor Ort zu unterstützen, um genau solche Aktionen, wie ich sie gerade erwähnt habe, zu ermöglichen und die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen und somit auch zu einer Generationengerechtigkeit beizutragen. Die Generationengerechtigkeit wird uns bewegen. Es ist ein großes Thema, sowohl im Bereich des Klimawandels, im Bereich von Rentensystemen, im Bereich von Digitalität – und so weiter. Ich glaube, es ist sehr wertvoll, dass junge Menschen sich für eine lebenswerte Gesellschaft einsetzen. Und das möchte ich gerne unterstützen.
DOMRADIO.DE: Viele Baustellen, die ihn da bevorstehen. Aber man hört schon raus, Sie haben auch Lust darauf?
Podschun: Ja, auf jeden Fall. Ich habe viel Motivation, und ich freue mich, dass es jetzt losgeht.