Die Corona-Schutzmaßnahmen nerven sie - aber werden als notwendig empfunden. Die Kirche sehen die jungen Leute vor allem in einem Punkt positiv.
DOMRADIO.DE: Die Fridays-for-Future Bewegung hat nicht mehr so viel Aufmerksamkeit bekommen in der Corona-Krise. Was sagt denn die Studie über die 14- bis 17-Jährigen dazu?
Lisi Meier (Vorsitzende des Bundes der deutschen katholischen Jugend): Grundsätzlich ist es schon so, dass Nachhaltigkeit die soziale Norm ist für junge Menschen. Das zeigt die Sinus Jugendstudie sehr stark.
Es gibt da sehr unterschiedliche Auseinandersetzungen von jungen Menschen, je nachdem, in welcher Lebenswelt sie sich aufgrund ihres Bildungsstatus und aufgrund ihres Wertekorridors befinden. In diesen unterschiedlichen Lebenswelten spielen insgesamt betrachtet Klima, Nachhaltigkeit, grüne Fragen eine sehr, sehr große Rolle.
Natürlich gibt es Ausdifferenzierungen, sodass beispielsweise bei den postmateriellen jungen Menschen die Sorgen um die globale Lage, um das Klima, um den Umweltschutz überwiegen, während es bei den prekären Lebenswelten um sehr individuelle Ängste des Scheiterns geht. Fragestellungen zu Klima, Wandel und Umweltschutz spielen eine Rolle – aber aufgrund der Bandbreite an unterschiedlichen Sorgen und Nöten, die die jungen Menschen umtreiben, eine etwas andere, eine etwas geringere.
DOMRADIO.DE: Dennoch ist in der Broschüre zu lesen, dass der jugendliche Zeitgeist grün ist und bewahrend: also eher im konservativen, ursprünglichen Sinne. Heißt das denn auch, dass die jungen Menschen sich engagieren?
Maier: Grundsätzlich ist es schon so, dass Bewahrung der Schöpfung und traditionelle Wertemuster eine sehr große Rolle spielen. Das hat sich auch in den letzten Sinusjugendstudien 2012 und 2016 angedeutet und ist nun auch nochmal sehr deutlich geworden. Familie und Heimat ist ihnen wichtig. Auch die Freundschaften im näheren Umfeld. Sich auch in dem Kontext zu engagieren und sich einzubringen, ist jungen Menschen sehr, sehr wichtig.
Sie machen aber auch deutlich, dass sie oftmals das Gefühl haben, nicht zu gehört werden; dass ihnen Mitbestimmungsmöglichkeiten fehlen oder dass sie wenig Möglichkeiten sehen, sich in unserer Gesellschaft wirklich einzubringen und etwas zu verändern. Ganz stark sieht man das bei den Fragen des globalen Engagements. Wie können junge Menschen sich dort engagieren und etwas bewegen und verändern? Da sehen viele junge Menschen Barrieren bei den Zugängen für globales Engagement.
Das macht sich auch ein Stück weit an dem angestrebten Bildungsniveau der jungen Menschen fest.
DOMRADIO.DE: Die Corona-Maßnahmen und Kontaktbeschränkungen - sind die Jugendlichen davon genervt?
Maier: Das haben sie genau so beschreiben, dass sie ein Stück weit davon genervt sind - aber auch, dass ihnen auch Freunde fehlen, dass ihnen diese Kontakte fehlen, die sie im alltäglichen Miteinander mit ihren Freunden haben. Das ist jetzt auch bei dieser Sinusjugendstudie herausgekommen. Das haben aber auch andere Corona-Studien schon gezeigt, dass das jungen Menschen und Jugendlichen sehr, sehr wichtig ist. Dass ihnen in den letzten Monaten einfach der Umgang in den Freundeskreisen, in den Jugendverbänden oder die Freizeitmaßnahmen sehr stark gefehlt haben.
Was ich sehr, sehr spannend fand, war, dass junge Menschen aber eine hohe Solidarität zum Ausdruck gebracht haben mit Älteren - nicht nur mit den eigenen Großeltern, sondern überhaupt älteren Menschen - um die zu schützen oder auch Vorerkrankte. Sie haben auch die politischen Maßnahmen, Mundschutz-Tragen etwa, kaum kritisiert, sondern sehen die als wichtig und notwendig an. Es gibt auch eine große Zustimmung, sogar noch etwas mehr als vor Corona, zu politischem Agieren und Handeln. Das ist positiv zu sehen für Politikerinnen und Politiker, die in diesem Feld aktuell agieren.
DOMRADIO.DE: Wenn man auf Ballermann und Partyszene guckt: Leute, die mit Flaschen auf Polizisten schmeißen, weil die vermeintlich das Feiern verbieten wollen. Dann heißt es in der Studie, dass Feierngehen, Fun und Action an Bedeutung verlieren. Wie ist das einzuordnen?
Maier: Grundsätzlich glaube ich, dass man diese Einzelbeispiele schwierig auf eine gesamte gesellschaftliche Gruppe übertragen kann und sollte. Es lohnt ein differenzierter Blick auf die jetzige Generation 14 bis 17. Deshalb spricht der Sinus auch von Lebenswelten - sieben Lebenswelten - in die sie unterteilt. Selbst das ist noch zu wenig differenziert, wenn man noch genauer reinschauen wollen würde.
Dennoch kann man grundsätzlich konstatieren, dass es die aktuelle Generation der 14- bis 17-Jährigen eine sehr ernste und problembewusste Jugend ist, die sehr realitätsnah auf die Dinge blickt und jetzt schon sehr deutlich die negativen Folgen der Individualisierung benennt und die stark im Bewusstsein hat. Die sozialen Werte haben stark zugenommen, auch im Vergleich zu den letzten beiden Studien. Sicherhei, Halt, Geborgenheit, diese Werte sind jungen Menschen sehr wichtig.
DOMRADIO.DE: Gibt es auch einen Abschnitt über Religiosität?
Maier: Es gibt in der Grundbefragung immer eine Tendenzbefragung. Was in diesem Jahr ein expliziter Fokus war, waren Berufswahlprozesse von jungen Menschen. Dabei auch die Frage: Kirche als Arbeitgeberin, können sich das junge Menschen vorstellen?
Sehr interessant war, dass junge Menschen zunächst gar nicht wussten, wie viele verschiedene Berufe man innerhalb der Kirche ausüben kann, dass sie aber nicht abgeneigt sind, bei einem kirchlichen Arbeitgeber oder bei Kirche als Arbeitgeberin ihre berufliche Zukunft zu sehen. Das ist für uns ein gutes Signal, dass man da auch ein positives Image von Kirche als Arbeitgeberin hat.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.