DOMRADIO.DE: Was denken Sie über den Vorschlag von Eva Högl, die Wehrpflicht wieder einzuführen?
Lisi Maier (Bundesvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend): Grundsätzlich halten wir an unserer Beschlusslage von 2010 fest. Wir sehen auch heute nicht den Bedarf, die Aussetzung der Wehrpflicht wieder aufzuheben. Einfach aus dem Grund, dass wir gerade auch kein übergeordnetes sicherheitspolitisches Interesse sehen, das aus unserer Perspektive auch gegeben sein müsste, um diese Aussetzung aufzuheben. Wenn ein solches gegeben wäre, müsste man vielleicht doch noch mal anders darüber nachdenken.
Aber ich muss ganz ehrlich sagen: Ich habe mir vor zehn Jahren auch die Gedanken gemacht, was ja der Auslöser ist von Frau Högls Vorstoß, wie es ohne Wehrpflicht mit dem Bürger in Uniform weitergeht. Aber dennoch, muss ich sagen, war die Entscheidung der Aussetzung damals aus jugendpolitischen und anderen politischen Gründen natürlich richtig.
Wenn man sich ansieht: Was ist heute der Bedarf der Bundeswehr? Was braucht man bei der Bundeswehr? Dann ist es aus verteidigungspolitischer Perspektive nicht sinnvoll, eine Freiwilligenarmee zu haben. Und aus der jugendpolitischen Perspektive würden wir immer auf die Freiwilligkeit setzen, weil wir Pflichtdienste an der Stelle als junge Menschen ablehnen.
DOMRADIO.DE: Der damalige BDKJ-Bundespräses, Pfarrer Simon Raab, hat sich da ziemlich klar geäußert. Er hat gesagt, es geht um die Einschränkung des persönlichen Freiheitsrechts der Jugendlichen. Sehen Sie das auch so?
Maier: Wir sehen es auch insgesamt als Verband so, dass eine Gesellschaft nicht Zwang, sondern Angebote für junge Menschen schaffen muss und darauf setzen muss, dass die Bürgerinnen und Bürger sich für die Gesellschaft, in der sie leben, auch freiwillig einsetzen und der Staat eben nicht über junge Menschen verfügen kann, sondern sie fördern muss und das an unterschiedlichen Stellen.
Ich glaube vor allem, dass die Problematik, die jetzt in der Bundeswehr besteht, dass die Frage von rechten Strukturen innerhalb der Bundeswehr erstens kein Problem der Bundeswehr alleine ist, aber dass natürlich bestimmte Strukturen, die falsch verstandenen Korpsgeist fördern, jetzt beseitigt werden müssen.
Ich glaube, wir müssen auch gerade in der Bundeswehr schauen, dass Strukturen geschaffen werden, die ein offenes Klima und demokratischen Meinungsaustausch fördern. Deshalb ist es zum Beispiel auch so, dass wir als BDKJ Seminare der politischen und ethischen Bildung innerhalb der Bundeswehr anbieten. Das kann eben auch eine Möglichkeit und ein Signal sein, wie zivilgesellschaftliche Strukturen mit der Bundeswehr kooperieren und dort neue Möglichkeiten schaffen, ein anderes Klima und andere Strukturen anzustoßen.
DOMRADIO.DE: Zuspruch hat der Vorschlag von Frau Högl auch vom evangelischen Militärbischof Sigurd Rink bekommen. Der glaubt, durch die damalige Abschaffung oder Aussetzung kommt es zu einer Milieuverengung in der Bundeswehr. Wie schätzen Sie das ein? Gibt es da irgendeine Lösung, wie man das angehen kann?
Maier: Eine Möglichkeit ist, wie gesagt, andere zivilgesellschaftliche Strukturen in die Bundeswehr einzubinden. Ich glaube aber vor allem, man muss sich überlegen, wie man auch Instrumente schafft, damit die Bundeswehr attraktiv wird für junge Menschen aus ganz unterschiedlichen Kontexten.
Man muss sich ja auch anschauen: Schon seit den 90er Jahren sind viele junge Männer ja vom Dienst befreit worden. Sehr viele haben Ersatzdienst geleistet. Insofern glaube ich, dass die Milieuverengung kein ganz aktuelles Problem ist. Aber natürlich ist es eine Frage, dass man sich nun mal genauer anschauen muss: Welche Ansprache wählt man als Bundeswehr? Wenn erreicht man mit der Werbung, die die Bundeswehr in den letzten Jahren gemacht hat?
DOMRADIO.DE: Ein Pflichtdienst für junge Männer und vielleicht auch für Frauen könnte ja auch nicht verkehrt sein, wenn man auf den Pflegenotstand guckt. Wäre das im Sinne des BDKJ?
Maier: Das ist eine wiederkehrende Sommer-Debatte, die wir jetzt seit Jahren immer wieder führen und die aus unterschiedlichen Parteien der großen Koalition immer wieder angestoßen wird. Frau Högl hat durch ihren Vorstoß das Thema ja auch wieder ein Stück weit auf die Agenda gesetzt.
Wir haben bereits vor zwei Jahren, aber auch letztes Jahr nochmal, ganz klargemacht: Die Lücken im Dienstplan dürfen nicht durch einen Pflichtdienst einer Generation geschlossen werden. Wir stehen auch da ganz klar zu der Perspektive, dass nicht Zwang, sondern Angebote geschaffen werden müssen für eine junge Gesellschaft und dass freiwilliges Engagement Solidarität in unserer Gesellschaft fördert.
Und wir sehen ja, dass sich ganz, ganz viele junge Menschen vor Corona und auch zu Corona-Zeiten eingesetzt haben für ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger. Dieses Engagement muss man stärken. Darauf muss der Staat setzen. Ein Zwang wird an dieser Stelle nicht dazu führen, dass eine Gesellschaft solidarischer wird.