KNA: Wie wird man Mitglied im Wirtschaftsrat des Vatikan?
Marija Kolak (Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken): Es ist nicht so, dass man sich darum bewirbt, sondern man wird berufen. Der Vorsitzende des Wirtschaftsrates, Kardinal Reinhard Marx, hat Vorschläge gemacht. Die eigentliche Entscheidung lag dann bei Papst Franziskus.
KNA: Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie von Ihrer Berufung in das Gremium erfahren haben?
Kolak: Dass es für mich als praktizierende Christin eine besondere Ehre und Auszeichnung ist, an dieser Stelle meine Finanzexpertise und Berufserfahrung einbringen zu können.
KNA: Finanzen und der Vatikan - das brachte in der Vergangenheit meist eher negative Schlagzeilen: Geldwäscheverdacht in der Vatikanbank IOR, Intransparenz bei der vatikanischen Güterverwaltung APSA, zuletzt Verluste in dreistelliger Millionenhöhe bei Immobiliengeschäften in London. Stehen Ihnen da nicht die Haare zu Berge?
Kolak: Zunächst einmal muss man die Dinge sauber unterscheiden. Die Vatikanbank beispielsweise hat einen eigenen Aufsichtsrat, berichtet aber jährlich. Der Wirtschaftsrat soll sich dagegen mit dem Haushalt des Vatikan befassen, die wirtschaftlichen Angelegenheiten der einzelnen Behörden prüfen, indem er berät und überwacht, dass bestimmte Leitplanken eingehalten werden. Aber unabhängig davon stört es mich, dass man sich im öffentlichen Diskurs zum Thema Kirche und Geld oft nur auf Skandale konzentriert.
KNA: Warum?
Kolak: Weil dabei aus dem Blick gerät, wie viel Geld die Kirche für ihr karitatives Engagement vorhält. Nur ein Beispiel: Ich war sehr beeindruckt zu hören, wie das Erzbistum München mittlerweile seine Finanzen offen legt. Jeder Kirchensteuerzahler dort erhält eine Aufstellung, wie sich der Haushalt zusammensetzt. In anderen Bistümern gibt es ähnliche Bestrebungen. Und auch da können Sie dann nachlesen, wie sehr die Menschen vor Ort, gerade auch die Benachteiligten, von der Kirche unterstützt werden.
KNA: An ihrer Spitze bleibt die katholische Kirche ein "Herrenclub" - wie gehen Sie als Frau damit um, die aus einer Branche kommt, in der ebenfalls überdurchschnittlich viele Männer an Schlüsselpositionen sitzen?
Kolak: Ich glaube, dass wir gerade alle einen stetigen Wandel in der Gesellschaft erleben - egal, ob in der Parteienlandschaft, bei Verbänden oder Unternehmen. Dabei geht es vor allem um Diversität. Der Wirtschaftsrat kann in dieser Hinsicht ein wichtiges Signal setzen.
KNA: Inwiefern?
Kolak: Im Wirtschaftsrat kommen zum einen unabhängige Experten zusammen, zum anderen Kardinäle, die die Weltkirche vertreten. Sie stehen für den geistlichen, die Experten für den wirtschaftlichen Part. Beide Perspektiven sind wichtig. Diversität wiederum bezieht sich nicht nur auf das Geschlecht, sondern auch auf den kulturellen Hintergrund und einen Mix aus verschiedenen Alters- und Berufsgruppen. Dahingehend finde ich die Zusammensetzung gelungen.
KNA: Den Wirtschaftsrat gibt es schon länger - aber erst jetzt sitzen auch weibliche Mitglieder mit am Tisch. Täuscht der Eindruck, dass Frauen gern dann hinzugerufen werden, wenn die Männer nicht mehr weiterwissen?
Kolak: Das ist mir zu simpel hergeleitet. Der Wirtschaftsrat an sich ist ja schon ein Reformprojekt, das dem Bedürfnis nach mehr Transparenz und Professionalisierung Rechnung tragen soll. Hier mussten die Verantwortlichen zunächst die notwendigen Strukturen schaffen - es geht nicht alles auf einmal.
KNA: Niedrigzinsen, Corona-Krise und die Digitalisierung krempeln die Finanzbranche gerade massiv um. Was bedeutet das für die Genossenschaftsbanken?
Kolak: Unbestritten stehen wir vor immensen Herausforderungen. Dazu gehören neben der Digitalisierung der demographische Wandel und die Klimakrise. Wir als Genossenschaftsbanken bleiben gleichwohl zuversichtlich, weil wir in den 170 Jahren unseres Wirkens bereits die unterschiedlichsten Krisen erlebt und überstanden haben: von Industrialisierung und Landflucht über zwei Weltkriege bis hin zu wechselnden Währungen. Davon unabhängig gilt: Konkurrenz und Wettbewerb gab es immer schon, dem stellen wir uns.
KNA: Aber auch Sie werden Filialen schließen müssen, oder?
Kolak: Wo unsere Banken vor Ort erkennen, dass der Bedarf da ist, bleiben sie mit Filialen vertreten. In anderen Regionen gibt es zum Beispiel einen Banken-Bus, der regelmäßig übers Land fährt. Dazu kommen verschiedene digitale Angebote, die für Nähe zum Kunden sorgen.
KNA: Kennen Sie das Gleichnis vom Kamel und dem Nadelöhr?
Kolak: Sie meinen den Ausspruch Jesu: "Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt"?
KNA: Ja - können Sie als Präsidentin eines Bankenverbandes damit etwas anfangen?
Kolak: Die Botschaft Jesu ist: Der Reiche sieht nichts um sich herum und stellt sich selbst in den Vordergrund. Unser Kernauftrag aber lautet: Wir machen uns nicht selber reich, indem wir Gewinne maximieren, sondern wir fördern das Wohl unserer 18,6 Millionen Mitglieder. Letzten Endes geht es darum, dass Wirtschaft kein Selbstzweck ist, sondern dem Menschen dient.
Das Interview führte Joachim Heinz.