Eine Rose auf einem Grabstein, leuchtend rot auf grau-braunem Hintergrund, darunter ein Todesdatum: 20. Januar 2001. Dieses Bild findet sich auf dem Internetauftritt der Initiative "Immaterielles Erbe Friedhofskultur". Vor fünf Jahren angetreten, hat sie im März ihr Ziel erreicht: Auf Empfehlung der Deutschen Unesco-Kommission nahm die Kultusministerkonferenz die deutsche Friedhofskultur in das bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes auf.
Doch die beginnende Corona-Krise verhinderte weitgehend, dass diese Entscheidung öffentlich wahrgenommen wurde, wie Tobias Pehle, der Geschäftsführer der Kuratoriums Immaterielles Erbe Friedhofskultur und Initiator des Unesco-Votums, bedauert. Ein halbes Jahr später folgt ein neuer Anlauf. Zum Tag des Friedhofs an kommenden Sonntag hat das Kuratorium eine Aktion gestartet, um für die Friedhofskultur zu werben. So sollen Grabanlagen in 125 Städten bundesweit mit einem Signet "Immaterielles Kulturerbe" gekennzeichnet werden.
Mehrere Verbände haben sich zusammengetan
Bislang umfasste die deutsche Liste des Immateriellen Erbes 106 lebendige Kulturformen wie Brotbacken, den Orgelbau oder das Sternsingen. Ergänzend zu den berühmten Welterbestätten geht es hier darum, Alltagskulturen und -traditionen zu erhalten. Weltweit fördert die Unesco ihren Erhalt seit 17 Jahren. Das Nominierungsverfahren ist zweistufig: Zunächst erstellt jedes Land ein Verzeichnis, im nächsten Schritt können Vorschläge für die weltweite Unesco-Liste eingereicht werden.
Pehles Initiative bezog sich nicht auf einzelne Orte, sondern darauf, "was wir Menschen tun". Die Initiative nahm sich vor, "eine gesellschaftliche Wertschätzung" für die Friedhofskultur zu erlangen. Dafür hatten sich mehrere große Verbände zusammengetan: der Verband der Friedhofsverwalter Deutschlands, der Bundesverband deutscher Bestatter mit dem Kuratorium deutsche Bestattungskultur, der Verein zur Förderung der Friedhofskultur, der Verband deutscher Natursteinverarbeiter sowie der Bund deutscher Grabmalhersteller. Zahlreiche weitere Vereine, Innungen und Genossenschaften unterstützten die Bewerbung, darunter der Arbeitskreis Friedhof und Denkmal, zu dem das Kasseler Museum für Sepulkralkultur gehört.
"Nicht irgendeine Arbeit"
Man wolle ein Zeichen setzen, "dass auf Friedhöfen nicht irgendeine Arbeit geleistet wird", so Pehle. Das Immaterielle Erbe umfasst Sitten und Bräuche, gestalterische und handwerkliche Tätigkeiten. "All das geschieht auf Friedhöfen", meint Pehle. Zudem gehörten die Gottesacker zu den meistbesuchten Grünflächen in Deutschland.
Wie Friedhöfe Menschen bewegen und Gesellschaft prägen könnten, werde kaum gesehen. "Über Friedhöfe wird viel gesprochen, aber oft in negativen Zusammenhängen: Sie seien teuer und würden viel Arbeit machen", so fasst Pehle die Beobachtungen aus der Gruppe zusammen. Für neue Ideen und Entwicklungen brauche es jedoch mutige Initiativen - jenseits von Streuwiesen und Urnenwäldern, die den klassischen Friedhof eher gefährdeten.
Gedenkkultur und Rückbesinnung jedes Einzelnen auf eigene Vorfahren
Insofern ging es der Initiative auch um eine Aufwertung der Erinnerungskultur. Der Begriff "Land der Dichter und Denker" spiele beispielsweise auf Künstler an, deren Werke das kulturelle Selbstbild der Deutschen prägen, hieß es in ihrem Antrag. "Die Erinnerung an diese Menschen lebt im besonderen Maße auf den Friedhöfen - wie die vielen Besuche der berühmten Gräber täglich aufs Neue belegen."
Auch die Gedenkkultur, die Rückbesinnung jedes Einzelnen auf die eigenen Vorfahren, trage zu dieser identitätsstiftenden Wirkung von Friedhöfen bei, betont Pehle. Dies spiegele sich beispielsweise in Feiertagen wie Allerheiligen, an denen das gesamtgesellschaftliche Gedenken eine zentrale Rolle spiele. Zugleich erklärt der Sprecher, dass die Auszeichnung als kulturelles Erbe den Friedhof nicht romantisieren solle. "Sie könnte allerdings signalisieren, dass Friedhöfe voller Leben stecken - auch kulturellem Leben."