DOMRADIO.DE: Eine Woche lang wurde in Köln über die Zukunft der Friedhöfe diskutiert. Auch Sie waren an den Diskussionen beteiligt. Was für neue Eindrücke haben Sie durch diese Woche gewonnen?
Msgr. Robert Kleine (Kölner Stadtdechant): Zunächst einmal ist mir bewusst geworden, wie viele Friedhöfe es allein in der Stadt Köln gibt: 55 in kommunaler Trägerschaft. Wir reden also nicht über die kirchlichen Friedhöfe, sondern die Stadt hat ihre eigenen Friedhöfe in den Blick genommen. 480 Hektar des Stadtgebietes von Köln sind Friedhöfe. Das wusste ich nicht.
Das Zweite ist, dass sich durch die unterschiedlichen Nutzungen der Friedhöfe – einige werden auch weniger belegt – die Frage stellt: Wie kann man diese grünen Lungen, diese Oasen, bewahren und vielleicht ein wenig öffnen.
DOMRADIO.DE: In einer belebten Stadt wie Köln, da ist es nicht immer ganz einfach, einen ruhigen Platz zu finden. Haben Friedhöfe in Städten eine besondere Bedeutung für die Menschen?
Kleine: Am bekanntesten Kölner Friedhof, dem Melatenfriedhof, lässt sich ganz gut zeigen, welche Funktionen Friedhöfe, vor allem in einer Stadt, haben. Natürlich werden dort weiterhin Menschen beigesetzt. Es ist ein, für uns als Christen, auch besonderer und heiliger Ort: ein Ort der Begräbnisse, ein Ort der Trauer, der Trauerbewältigung und des Gedenkens. Das müssen die Friedhöfe auch bleiben. Aber daneben sind sie zum Teil auch wunderbare Parkanlagen.
Sie sind auch Orte, an denen ich Stadtgeschichte studieren kann, wenn ich die Grabmäler der Menschen sehe, die die Stadtgeschichte mit beeinflusst haben: von der Frau, die Klosterfrau Melissengeist entwickelt hat, über Dombaumeister bis hin zu Schauspielern oder Karnevalsgrößen. Das ist etwas, das die Kultur der Stadt lebendig werden lässt. Diese drei Aspekte findet man nicht nur auf Melaten, sondern auf vielen anderen Friedhöfen. Alle drei Aspekte müssen bewahrt werden.
DOMRADIO.DE: Jetzt ist die Friedhofswoche vorbei – aber es geht ja eigentlich erst richtig los: Die Woche fand im Rahmen des "Zukunftskonzepts Kulturraum Kölner Friedhöfe 2025" statt. Welche grundlegenden Veränderungen stehen im Raum?
Kleine: Wir hatten eine Podiumsdiskussion mit der Oberbürgermeisterin in dieser Woche, bei der auch jemand vom Naturschutzbund da war und jemand aus dem Bereich der Trauerbegleitung, außerdem jemand, der oft Führungen auf den Friedhöfen gemacht hat und eine Schülerin, die Ideen entwickelt hatte. Wir waren uns einig: Ich kann nicht das Wort "Friedhof" streichen und schreibe stattdessen "Parkanlage". Aber ich kann im Rahmen der Friedhofsordnung die Friedhöfe – das war das Leitwort "Friedhof für alle" – öffnen, indem ich zum Beispiel mehr Bänke dorthin setze, sodass auch ältere Menschen dort spazieren gehen und zur Ruhe kommen können.
Das sind alles Ideen, die aus einer Online-Befragung erwachsen sind, die im Moment noch läuft – zum Beispiel: Kann ich nicht an solchen Bänken auch einen Bücherschrank aufstellen, wie wir ihn aus anderen Veedeln (Stadtviertel, Anm. d. Red.) auch kennen. Dass also jemand dort hinkommt und etwas liest. Oder gibt es die Möglichkeit, im Umfeld des Friedhofs noch einmal zu schauen ob es die Möglichkeit gibt, ein Café einzurichten.
Gibt es vielleicht die Möglichkeit von Lesungen in den Friedhofshallen außerhalb der Bestattungszeiten. Das alles sind Ideen, die angerissen wurden und es ist spannend, wenn die jetzt weiterverfolgt werden.
DOMRADIO.DE: Sie haben gerade schon die Online-Befragung angesprochen, bei der Bürgerinnen und Bürger bewusst mit ins Boot geholt werden sollen. Was haben Sie denn für einen Eindruck: Wie sehr interessiert es die Menschen, die Friedhöfe zu verbessern und zu verändern?
Kleine: Ich glaube, dass das schon ein Thema ist, das die Leute bindet und das sie auch auffordert, sich zu melden – zum Beispiel bei der Podiumsdiskussion, obwohl es an dem Abend sehr, sehr warm war. Aber im Rathaus waren bestimmt 70 Leute, die ihre Sorgen artikuliert haben.
Da sagten einige: Es darf nicht zu einem Event verkommen. Wir haben doch einen Friedhof, auf dem wir Ruhe haben. Das soll natürlich auch so bleiben. Diese Ängste konnten auch genommen werden. Aber es gibt ganz viele Ideen: von kurzen, szenischen Aufführungen über die Frage, ob es auch Räume gibt, die ich vielleicht noch einmal neu gestalte – vielleicht auch als Parkanlage.
Wir machen ja die Erfahrung, dass es nicht mehr so viel Erdbestattungen gibt. Durch die vielen Urnenbegräbnisse werden dadurch manche Flächen auf unseren Friedhöfen nicht mehr gebraucht und liegen dann brach. Wie kann ich diese brachliegenden Flächen nutzen? Ist es nicht ganz gut, wenn es auf den Friedhöfen auch mehr wilde Wiesen gibt? Wir alle kennen die Debatte um die Bienen und um Insekten. Auch ökologische Fragen kann ich in diesen Grünanlagen wunderbar stellen und beantworten, wenn ich sage: Das ist ein ökologisches System, das da entstanden ist. Ein System, das wir mitten in unseren Städten haben, das geschützt werden muss und in Zukunft noch besser geschützt werden kann.
Das Interview führte Julia Reck.